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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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damals gesagt?
    »Das glaube ich dir gerne, aber das muss dir doch klar gewesen sein, dass ich der Überzeugung war, du spielst die Hauptrolle.«
    »Und wieso?« Zerstreut strich er sich das dunkle Haar zurück. »Du hast mich nie gefragt. Soweit ich mich erinnere, hast du nie gefragt, welche Rolle ich spiele. Und spätestens, wenn wir hineingegangen wären, um uns den Film anzusehen, hättest du es gemerkt.«
    »Aber du wolltest ihn doch gar nicht ansehen.«
    »Ich sehe mich selbst nicht gern auf der Leinwand. Ich habe immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein.«
    »Und welche Rolle spielst du dann?« Ich saß ihm gegenüber auf dem Sofa. »Den dritten Totengräber von links?«
    Er grinste. »Nein, ein bisschen tragender ist meine Rolle schon. Herzlichen Dank. Ich spiele den Bruder des Hauptdarstellers.«
    »Aha.« Nun, das hörte sich auch nicht schlecht an.
    »Nur …« Seine Stimme klang zögernd. »Er wird nach zehn Minuten in Afghanistan getötet.«
    »Ah ja.« Ich versuchte, nicht zu lächeln. »Dann ist es also die dritte Leiche von links?«
    »Etwas in dieser Richtung.«
    Wir sahen uns an. Dann kam er langsam durch den Raum auf mich zu und setzte sich neben mich. »Ich hatte durchaus eine eigene Rolle, Maggie. Ich hatte Text und alles, was dazugehört. Ich schwöre, ich habe nicht versucht, dir zu imponieren.«
    Ich stand auf und ging zur Hausbar meines Vaters. »Willst du etwas zu trinken?«
    »Nein, danke. Aber wie geht es dir denn, Maggie?«, fragte er besorgt, als ich mir einen Whisky eingoss.
    »Es geht«, antwortete ich achselzuckend. »Ich habe heute gekündigt.«
    Er sah mich entgeistert an. »Wirklich?«
    »Ja, wirklich. Mehr oder weniger jedenfalls. Ich glaube, sie haben’s schon kapiert. Ich gehe jedenfalls nicht mehr dorthin.« Ich zog die Nase kraus, als der Whisky mir in der Kehle brannte. »Und Digby …« Ich schluckte. »Digby ist verschwunden.«
    Seb sah schockiert aus. »Lieber Himmel, das tut mir aber leid. Wann denn?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendwann heute Vormittag. Eher in der Frühe.«
    »Kann ich … soll ich ihn suchen helfen?«
    »Ich glaube, das bringt nicht viel. Wahrscheinlich hat ihn jemand mitgenommen. Er ist ein Rassehund, weißt du. Vielleicht war’s ein Tierhändler.«
    Wir wussten beide, dass ich nicht davor Angst hatte.
    »Wie du meinst.« Seb fuhr sich mit den Händen durchs Haar und blickte ins Kaminfeuer. »Maggie, der ganze Schlamassel tut mir ehrlich leid. Du hast ja schon genug wegzustecken.«
    »Nein, mir tut es leid.« Ich leerte mein Glas. »Ich bin nur so nervös im Moment. Wahrscheinlich habe ich einfach überreagiert.«
    »Nun, ich hätte einfach offener sein sollen. Ich habe nicht gelogen, aber natürlich wollte ich dich beeindrucken.«
    »Und wie lief es heute Morgen beim Vorsprechen? War das denn wenigstens wahr?«
    »Und wie. Für eine Arztrolle in einer Serie. Ich habe das Skript noch irgendwo.«
    »Und das Stück, das du probst … deine große Rolle … ist das eine richtige Rolle? Oder spielst du da etwa einen Speerträger?«
    Jetzt schien er ein wenig beleidigt. »Nein, natürlich nicht. Ich spiele den Orsino. Das ist die reine Wahrheit.« Er suchte in seiner Tasche herum. »Lieber Gott, wofür hältst du mich denn, Maggie?«
    Er fand, was er gesucht hatte - einen Packen Fotos und ein Skript mit zahlreichen Eselsohren. Ich warf einen Blick auf die Bilder: Seb in einem verknitterten weißen Hemd, Strumpfhosen und langen Reiterstiefeln, die bis zum Knie reichten. Er sah umwerfend aus. Auf dem nächsten Bild war er als Punk zu sehen. Dann als britischer Soldat mit einem Gewehr in der Hand. »Das war das Lieblingsbild meiner Mutter. Es ist aus Love All .« Er deutete auf das Foto und strich sich wieder das Haar zurück. »Es wurde aufgenommen, kurz bevor sie starb.«
    »Es tut mir so leid«, sagte ich mechanisch. »Ich bin sicher, sie war stolz auf dich. Du siehst wirklich toll aus.«
    »Ja, das fand sie auch, die Liebe.« Er stand auf. »Du siehst total fertig aus, Kleines. Ruf mich an, wenn du mich sehen willst, in Ordnung?«
    »In Ordnung. Danke, Seb.«
    Langsam ging er zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal um. »Wir feiern morgen eine Premierenparty. Ich wollte … dich eigentlich einladen.«
    »Wollte?«
    »Nun, ich denke … nach alldem wirst du wohl keine große Lust haben.«
    Ich musterte aufmerksam mein Glas, als läge die Lösung meiner Probleme in dem letzten Schluck Whisky, der noch darin war. »Es tut mir leid, Seb.

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