Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Allerdings …« Ich teilte mit der Gabel die Teigschale meiner Zitronentarte. »… ich weiß nicht recht, warum du diese beiden Jungs im Team haben willst. Im Fernsehen sollte es keine Vetternwirtschaft geben.«
»Ach, sei doch nicht so langweilig, Maggie.« Charlie blies den Rauch aus den Nüstern wie ein alter Salonlöwe, der er ja auch war. Er hob sein Cognacglas und prostete mir zu. »Sieh es doch einfach als Chance, dieses junge Blut zu formen. Zeig den beiden, wie der Hase läuft, und sorg dafür, dass wir diese verdammte Jeremy-Kyle-Show überholen. Dann kannst du deine Belohnung kassieren.«
Und so zynisch Charlie auch sein konnte, er hatte es klug angestellt, denn ich sah endlich einen Ausweg aus dem Schlamassel, in den ich in letzter Zeit geraten war. Ich würde Joseph Blake und Crosswells Sohn einfach mit dem Enthusiasmus anstecken, der mich zum Fernsehen gebracht hatte. Wir würden die Renee-Show neu erfinden. Und ich würde Charlie beweisen, dass ich wieder Tritt gefasst hatte. Dann konnte ich endlich etwas machen, woran ich tatsächlich glaubte.
Am Ende des Diners war ich so betrunken, dass ich fast glücklich war.
Ich versuchte, Alex Charlies Plan und meine neuen Aufgaben auseinanderzusetzen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich das Gefühl hatte, jetzt eine Feuerprobe bestehen zu müssen, und dass mich das inspirierte. Dass ich mich fühlte wie früher. Alex tat zwar, als höre er mir zu, in Wirklichkeit aber kreisten seine Gedanken nur um seine Probleme, da Malcolm ihn mit dem Darlehen immer weiter hinhielt. Er war so oft in Schottland, dass wir weiter voneinander entfernt schienen als je zuvor. Und so gab ich es schließlich auf, etwas von mir zu erzählen.
Mein brillanter Plan, mich als Mentorin zu betätigen, erwies sich schon am ersten Tag als Luftnummer. Joseph Blake kam am Montagmorgen alleine an, einige Tage vor dem jungen Crosswell, der irgendwo in einem Waisenhaus in Malaysia Gutes tat. Allein die Vorstellung - der reiche Bengel, der sein soziales Gewissen päppelte - verursachte mir Magengrimmen. Doch der arrogante Joseph Blake war eine Herausforderung für sich. Er kam mit einem edlen Aktenkoffer, einer Ausgabe des Telegraph und schlechten Manieren hier an. Ich wartete förmlich darauf, dass er gleich ein Monokel zückte.
Joseph war der Auffassung, dass es für ihn hier nichts zu lernen gäbe. Von dem Augenblick an, in dem er das Studio betrat, war er bereit, »Verantwortung zu übernehmen«. Alles, was ich ihm sagte, kritisierte er. Als ich ihm empfahl, sich erst einmal zu entspannen, wurde er mürrisch. Er prahlte andauernd mit seiner Ausbildung an einer Elite-Universität, die »uns für das Leben schult«, wie er meinte. Er wollte »radikales Fernsehen« machen, ohne auch nur eine einzige neue Idee zu haben. Er war ein versnobter Sonderling und darüber hinaus noch ein echter Unsympath.
In der Woche darauf lief Sam Crosswell im Büro ein wie ein Schiff mit geblähten Segeln vor dem düsteren Horizont. Zu meinem Bedauern war er ein sehr charmanter junger Mann. Sonnengebräunt, schlaksig und mit dem zauberhaften Lächeln eines Menschen, der mit sich im Reinen ist. Die Mädchen umringten bald im Dutzend seinen Schreibtisch wie schillernde Piranhas und konnten gar nicht genug kriegen von seinen großen Reden, wie man in Costa Rica eine Welle erwischt und welche Berühmtheiten sein Vater kannte. Den ganzen Tag lang belagerten sie flirtend seinen Tisch und zeigten eifrig viel zu viel Bein. Ich sagte nichts, weil Sam klug war und begeistert mitarbeitete, weil er sich nicht zu schade war, Tee zu machen, den Kopierer zu bedienen und stundenlang Telefondienst zu tun. Darüber hinaus brachte er viele Ideen mit, von denen die meisten unbrauchbar waren. Einige aber waren wirklich gut. Es war erfrischend, ihn im Büro zu haben und zuzusehen, wie die Mädchen hinter ihm her waren.
In der Woche, nachdem Sam sein Praktikum angetreten hatte, kamen die Einladungen zu den Vision Awards, einem bekannten Medienpreis, der jährlich vergeben wird. Ich hatte Verbindungen zu so vielen aufgeblasenen Managern und Medienleuten geknüpft, dass es für ein ganzes Leben reichte. Dieses Jahr würde ich mir die Preisverleihung ersparen. Seit meinem volltrunkenen Abendessen mit Charlie hatte ich im Übrigen auch auf Alkohol verzichtet und fand es angenehmer, als ich je gedacht hätte. Auf Preisverleihungen aber gab es immer und im Überfluss alles, was man sich nur wünschte. Und dazu noch reichlich
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