Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Zigarrenrauch entgegen. »Und das wäre doch eine Schande, nicht wahr? Und jetzt trink aus. Du bist doch ein gutes Mädchen, oder?«
Trotz seiner angeblichen Sorge um meine Leberwerte ließ Charlie großzügig Champagner auffahren. Schließlich und endlich rückte er mit der Wahrheit heraus.
»Schließlich bist ja nicht nur du von deinem Unglück betroffen. Die Show leidet ebenfalls darunter.« Ich konnte förmlich sehen, wie schwer es dem leichtblütigen Charlie fiel, dies einzugestehen. »Seit dieser schreckliche Jeremy Kyle auf der Bildfläche erschienen ist, gehen unsere Einschaltquoten in den Keller. Wir müssen das ganze Ding neu aufstellen, ohne unser Stammpublikum zu riskieren. Und zwar schnell.« Er ließ seine Hand durch das ölig schimmernde Haar gleiten. »Ich möchte so weit wie möglich von Kyle weg. Der wühlt doch nur Dreck auf.«
»Aber wir haben sein Konzept doch selbst jahrelang mit Erfolg angewandt.« Ich sah ihn ungläubig an. »Ehrlich gesagt waren wir es doch, die dieses Format erfunden haben.«
»Nun, das mag schon sein.« Charlie zuckte elegant mit den Schultern. »Aber nun ist es an der Zeit, diese Dinge zu ändern, meine Liebe. Die Medien schießen sich immer stärker auf die Talkshows ein, weil sie mittlerweile moralisch nicht mehr tragbar sind. Das müssen wir zu unserem Vorteil nutzen. Wir müssen moralisch die neue Richtgröße werden, weißt du.« Er schob seine schweißfeuchte Hand über meine. »Und ich gebe dir noch einmal die Chance zu beweisen, was in dir steckt. Ich will nicht, dass die Leute meinen, ich hätte aufs falsche Pferd gesetzt.«
»Lieber Himmel, eine Minute lang dachte ich wirklich, du machtest dir Sorgen um mich.« Ich zog meine Hand weg.
»Ich sorge mich zumindest so weit um dich, dass ich dich vor Lyons’ Zorn bewahre.«
Ach, der ewige Widerspruch in Charlie. Er war so glatt wie ein Babypopo, der mega-abgebrühte Typ, an dessen Selbstbewusstsein alles abzuprallen schien, aber so cool war er dann doch nicht. Das war mir klar geworden, als er in dem Jahr, in dem ich bei Double-decker anfing, vor dem Altar sitzen gelassen worden war. Er wischte es mit einer Handbewegung weg und vögelte sich durch das halbe Büro, als er von seinen einsamen Flitterwochen auf Antigua zurückkam. Doch dieser kurze Blick in sein Innerstes hatte unsere Zusammenarbeit in den letzten Jahren eher gestärkt. Trotz all seiner weltmännischen Gewandtheit schlug unter der Bräune, dem teuren Haarschnitt und dem blauen Ralph-Lauren-Pulli das beeindruckbare Herz des Bankdirektorssohnes aus Sutton, was in vollkommenem Widerspruch stand zu der goldplattierten Hülle eines Oberhaus-Lords, die Charlie nach außen hin präsentierte.
Jetzt aber, wo der Champagner in der Flasche so langsam zur Neige ging, stellte sich heraus, dass Charlie nicht nur erwartete, dass ich Renee deckt auf neues Leben einhauchte, sondern dass er von mir auch noch verlangte, dass ich Lyons’ Neffen Joseph Blake und Sam Crosswell, den Sohn des TV-Moguls Dick Crosswell, in unser Team aufnahm. Sally sollte befördert werden und mich unterstützen. Sie würde das Tagesgeschäft übernehmen, bis ich Charlie bewiesen hatte, dass ich wieder »alle beisammen« hätte. Als das Dessert kam, fühlte ich mich gedemütigt … aber ich hatte wohl keine andere Wahl.
»Vetternwirtschaft ist eigentlich nicht mein Ding, Charlie.« Ich zeichnete Muster in den Sahnespiegel auf meinem Teller. »Damit fühle ich mich mehr als unwohl.«
»Du bist wohl momentan kaum in der Position, dich moralisch aufs hohe Ross zu setzen, meine liebe Maggie. Du lässt dein Talent vor die Hunde gehen.« Er setzte sein gerissenes Lächeln auf. »Du solltest ohnehin schon viel weiter sein. Was ist bloß mit dir los?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Liebe?«, gab ich versuchsweise zur Antwort.
»Liebe-Schmiebe. Du siehst nicht aus, als ob du glücklich wärst. Reiß dich zusammen. Du bist eine wirklich begabte junge Frau.« Charlie lehnte sich zurück und zündete seine Zigarre an. »Wenn du wieder Ordnung in dein Leben bringst, gebe ich dir die Das wahre Leben- Show zur Produktion. Die Dokumentarsendung.«
»Wirklich?« Ich beäugte ihn misstrauisch.
»Wirklich. Du kannst sie haben. Wir fangen die neue Staffel mit einer Sendung über Komasaufen an. Das müsste dir doch liegen. Du hast mein Wort als Ehrenmann, Liebes.«
Ich war mir nicht sicher, ob Charlie wirklich als Ehrenmann durchgehen konnte.
»Gut. Ich werde Ordnung in mein Leben bringen.
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