Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
gestellt. Um zwei Uhr früh bin ich dann ins Bett gegangen.« Nach dem Zustand ihres Schreibtisches zu urteilen, hatte sie diesen ebenfalls gründlich durchsucht.
In diesem Moment betrat Joseph Blake das Großraumbüro. Er trug todschicke Kreppsohlen-Sneakers und hatte einen riesigen Kopfhörer umgehängt. Seine edle Ledertasche hatte er unter den Arm geklemmt. Heute hatte er seine dünnen Haare mit Gel zu einer steilen Tolle aufgetürmt und sah aus wie ein Teddy Boy, der die Sachen seines Vaters angezogen hatte.
»Verfluchter Bastard!«
Ich hielt Donna zurück, die geradewegs hinausmarschieren und ihn zur Rede stellen wollte. Doch als ich Joseph so ansah, fragte ich mich, warum Charlie ihn nicht gehen lassen wollte. Er konnte es getan haben, so viel stand fest.
Wir sahen einen selbstvergessenen Joseph, wie er seinen klassisch geschnittenen Wollmantel abnahm und ihn umsichtig um den Kleiderständer in der Ecke drapierte. Er strich sich sein Haar zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch, wo er als Erstes den Daily Telegraph aufschlug.
»Mensch, sehen Sie sich den Typen doch nur mal an, wie eingebildet der ist. Ich sage Ihnen, für solche wie den gibt es noch ganz andere Namen, zumindest da, wo ich herkomme.« Donna warf ihm durch die Glasscheibe einen finsteren Blick zu. »Dem zeige ich’s …«
»Lassen Sie mich das machen, Donna, bitte. Es ist schlimm, ich weiß das, aber es ist schließlich kein Kapitalverbrechen.«
»Wenn Sie meinen.« Sie zuckte achtlos mit den Schultern. »Aber ich finde den Kerl unheimlich. Wissen Sie, was ich meine? Die Stimmung im Raum ist anders, wenn er da ist.«
»Am besten holen Sie sich jetzt mal einen Kaffee. Ich rede mit ihm.«
»Ich kann jetzt nicht weg. Ich warte darauf, dass die Leute von Fergie zurückrufen.«
Also ging ich am Ende mit Joseph ins Crepey Lips, ein Café am Cut.
»Sind die Eier aus Freilandhaltung?«, fragte Joseph die Kellnerin mit dem pechschwarzen Haaransatz unter den Wasserstoffperoxid-gebleichten Locken.
Sie verzog belustigt das Gesicht. »Sie kommen aus einer Schachtel, Junge. Das ist alles, was ich weiß.«
»Gut, aber steht vielleicht ›Freilandhaltung‹ auf der Verpackung?«
»Joseph, das hier ist ein normales Café und nicht irgendein Schickimicki-Laden in der City.« Ich fühlte mich wie eine Mutter mit einem widerspenstigen Teenager im Schlepptau. »Nehmen Sie doch etwas anderes, ein Schinkensandwich beispielsweise.«
Er sah mich an, als habe ich einen Sprung in der Schüssel. »Ich esse kein Fleisch. Dann nehme ich eben nur Tee und Toast. Vollkorntoast mit grünem Tee, bitte.«
»Junge, hier gibt es weißen Toast und schwarzen Tee oder gar nichts.«
Ich tat so, als suche ich nach meinen Zigaretten, um zu verbergen, dass ich grinsen musste. Als ich sie in der Hand hielt, warf Joseph einen vernichtenden Blick darauf und hustete ein wenig. Alle Sympathie, die ich für ihn empfunden haben mochte, verflüchtigte sich schlagartig.
»Eigentlich«, meinte er, »habe ich darüber nachgedacht, ob man nicht eine Talkshow über die verheerenden Folgen der Intensiv-Landwirtschaft machen könnte.«
Die Kellnerin knallte den Kaffee vor mir auf den Tisch.
»Haben Sie schon mal gesehen, wie Tiere in diesem Land behandelt werden? Die Hormone, die man Kühen und Schweinen spritzt, die grauenhaften Transportbedingungen, die …«
Da kam mein Schinkensandwich zusammen mit Josephs Tee. Und diesen stellte die Kellnerin mit solcher Wucht auf den Tisch, dass ein paar Spritzer auf Josephs edlem Formica-T-Shirt landeten. »Einmal schwarzer Tee. Mit weißer Milch drin.«
Ich lächelte sie höflich an.
»Weißer Zucker, brauner Zucker und roter Ketchup stehen da drüben.«
Joseph achtete gar nicht auf sie, sondern redete einfach weiter. »Diese Laufställe sind eine Schande. Das Fett wird den Tieren künstlich angezüchtet. Schinken und Speck sind dafür ein gutes Beispiel. Die Tiere werden mit so vielen Kalorien gefüttert, dass sie zweimal so dick werden wie normal.«
Unglücklich sah ich auf mein Schinkensandwich hinunter und nahm, statt herzhaft hineinzubeißen, lieber noch einen Schluck Kaffee. »Das ist eine tolle Idee, Joseph, aber können Sie sich wirklich vorstellen, dass Renee so etwas macht? Das liegt ihr doch gar nicht.«
»Ich wüsste nicht, wieso nicht.«
»Warum machen Sie nicht mal eine Liste Ihrer Ideen für mich?« Ich stellte meine Tasse ab. »Aber jetzt müssen wir erst einmal über Ihre Zukunft bei Double-decker sprechen.«
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