Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
wenn Sie Ihre Meinung noch ändern sollten, dann kommen Sie doch sicher? Wir treffen uns im Tabernacle-Pub in Notting Hill. Wir sind ziemlich viele. Das wird ein Spaß werden. Und ich nehme es Ihnen wirklich übel, wenn Sie nicht kommen.«
    Jetzt leg endlich auf, Maggie.
    »Alles klar. Danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben.«
    »Gern geschehen, Maggie.« Sie hörte sich an, als würde sie bei Oprah Winfrey auftreten. Das Mädchen war ein Naturtalent. Alles, was sie sagte, brachte sie mit der Ernsthaftigkeit eines Psychopathen hervor. »Und passen Sie auf sich auf.«
    »Das werde ich.« Ich legte auf. Als ich die Wohnung verließ, blickte ich zuerst wachsam die Straße hinauf und hinunter. Nichts. Nur eine Gruppe junger Mädchen im besten Burberry-Outfit, die Arm in Arm durch die Pfützen zur Oyster Bar auf der anderen Straßenseite planschten. Aber als ich ins Auto stieg, hatte ich wieder dieses unangenehme Gefühl im Nacken. Ein Gefühl, an das ich mich langsam gewöhnte … und einen neuen Verdacht.
     
    Susan schniefte immer noch, als ich eine Stunde später im Elmside House ankam.
    »Entschuldigen Sie, Liebes.« Sie nieste laut. »Ich werde den Schnupfen dieses Jahr wohl nicht mehr los.« Geräuschvoll putzte sie sich die Nase, um dann das Taschentuch in den Ärmel ihrer Schwesternuniform zu schieben. »Gehen Sie ruhig zu Vera hinein. Ich mache uns eine schöne Tasse heißen Tee. Sie wird sich freuen, Sie zu sehen.«
    Das stimmte nicht, und wir beide wussten es. In Wirklichkeit war es höchst unwahrscheinlich, dass sie mich überhaupt erkannte. Trotzdem nickte ich höflich und ging den Flur hinunter. Auf dem Weg zu Gars Zimmer kam ich an Emmeline vorbei. Sie war mindestens neunzig, trug aber nur pinkfarbene Kittel und im Haar Samtreifen in weichem Violett. Natürlich hatte sie auch heute ihren imaginären Pudel Toy-Toy dabei, der an der Leine neben ihr herspazierte.
    »Hallo, Emmeline.« Ich lächelte ihr zu.
    »Sind wir uns denn schon vorgestellt worden? Meine Tanzkarte ist voll, wissen Sie«, gab sie geziert lächelnd zurück. Dann war sie weg, damit Toy-Toy sich die Beine vertreten konnte.
    Der aprikosenfarbene Korridor roch anders als sonst. Der übliche Gestank nach Desinfektionsmittel, doch dieses Mal lag ein süßlicher Dunst über allem.
    Als ich an Gars Tür war, bekam ich eine Gänsehaut. Durch den Türspalt sah ich sie zusammengesunken im Stuhl sitzen. Das Radio spielte eine düstere Weise, irgendetwas, das ich kannte und mit Grund nicht mochte. Ich brauchte ein paar Minuten, doch dann erkannte ich Mozarts Requiem. Einige Haarsträhnen hatten sich aus Gars gewohntem Knoten gelöst und hingen über ihr abwesendes Gesicht. Das Licht ließ die Haut fahl und gesprenkelt erscheinen. Mein Herz setzte aus. Eilends stürzte ich auf sie zu.
    »Gar«, rief ich, aber sie rührte sich nicht. Ich war nun neben ihr, packte sie an der Schulter und schüttelte sie, so heftig ich es wagte. Sie war so schmal geworden, dass sie sich anfühlte wie eine Stoffpuppe. Ich hatte das Gefühl, sie würde einfach entzweibrechen, wenn ich nicht sehr vorsichtig wäre. Dann erkannte ich, woher der süßliche Dunst kam: Lilien. »Gar, wach auf!«, schrie ich. Und das tat sie dann auch. Sie fuhr auf und sah mich verwirrt an. Ihre wässrigen Augen blinzelten hilflos. »Lily?«
    Entsetzt merkte ich, dass ich in Tränen ausbrach. »Oh, Gar.« Ich umschlang die zerbrechliche Gestalt und drückte mein Gesicht gegen ihre faltigen Wangen. Ihre Haut war weich und trocken wie Asche. »Ich bin es, Maggie, nicht Lily. Ich dachte, ich dachte schon, du seist tot.«
    »Regen Sie sich nicht auf, Maggie.« Susan brachte das Tablett mit dem Tee. »Es geht ihr gut, wirklich. Nicht wahr, Vera, meine Liebe?«
    »Es tut mir leid.« Mit einem Mal schämte ich mich für meinen Gefühlsausbruch. »Ich bin nur so erschrocken, das ist alles.«
    Während ich mir die Tränen abwischte, tätschelte Gar meine Hand. Dabei wusste ich genau, dass sie keine Ahnung hatte, wer ich war. »Hübsches Mädchen«, murmelte sie. Ihr Ehering war ihr mittlerweile zu weit geworden. Er rutschte am Finger hinunter, als sie meine Hand berührte. Susan schüttelte den Kopf, während sie das Tablett auf den Tisch stellte.
    »Ich bin froh, dass Sie da sind.« Susan nahm ein Tuch aus der Schachtel neben Gars Bett und reichte es mir, damit ich mir die Tränen trocknen konnte. »Ich wollte Sie am Telefon nicht beunruhigen, aber ich mache mir ein wenig Sorgen wegen der vielen Anrufe,

Weitere Kostenlose Bücher