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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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nach vorngestreckt. Die Waffe in seiner Hand zitterte, doch er ließ sein Ziel nicht aus den Augen.
    Ben blieb wie angewurzelt stehen. Er hatte Angst. Ich musste zu ihm, ihn retten.
    «Lauf, Ben!»
    Doch er konnte sich nicht rühren, nichts sagen oder denken. In diesem Moment größter Gefahr war er wie gelähmt. War es Hugo auch so gegangen, kurz bevor er verunglückt und gestorben war? War ihm klar gewesen, dass ihn ein anderer Wagen von der Straße drängte? Hatte er Joe im Wagen hinter sich gesehen und sich gefragt, warum dieser Spinner eigentlich so dicht auffuhr?
    «Ben!» Ich rannte, blieb nur kurz stehen, um meine Pistole zu entsichern, und lief dann umso schneller weiter.
    Doch Joe war noch schneller. Er hatte Ben fast erreicht. Meinen Ben.
    Und dann   … blieb er plötzlich stehen. Er bebte am ganzen Körper, während er die Pistole auf mein Kind gerichtet hielt.
    Ich hob die Waffe. Visierte das Ziel an. Diesmal war es keine graue Scheibe, sondern ein lebendiges Wesen: die Gestalt eines Menschen, ein Schatten in der schwarzen Nacht.
    «Sie gehört mir.» Joes Stimme hallte weit über den Fluss und wurde als Echo zu uns zurückgeworfen:
mir, mir, mir
. Als der letzte Widerhall verklang, sah ich nur noch den gebogenen Zeigefinger, der den Abzug seiner Waffe drückte. Die Einkerbung unter den beiden Fingerknöcheln. Den Abzug selbst, der sich in das weiche Fleisch bohrte.
    Ein Schuss zerriss die Nacht.
    Joe fuhr zu mir herum. Sein Blick war so fassungslos, als würde ihm erst in dieser Sekunde klar, dass ich ihn tatsächlich nicht liebte.
    «Wenn du nicht willst, will ich auch nicht», sagte er, alswürden wir eine ganz normale Beziehung beenden. Dabei war das hier alles andere als normal.
    Ich hatte ihn verfehlt. Also schoss ich noch einmal.
    Und diesmal traf ich ihn in die Schulter. Er stolperte nach hinten, ich trat näher heran und bereitete mich auf einen weiteren Schuss vor. Die dritte Kugel durchschlug ihm mit geballter Präzision die Wange.
    Joes Arme reckten sich zu beiden Seiten in die Höhe, als breitete er Schwingen aus. Die Pistole flog ihm in hohem Bogen aus der Hand und landete gut zehn Meter entfernt mit lautem Scheppern auf einem Haufen Steine. Sein Körper ergab sich der Schwerkraft, und die Flügel, die ihn nicht tragen konnten, klappten nach hinten und zuckten konvulsivisch, als er zu Boden ging. Blut strömte aus der Kopfwunde wie Öl aus einem kaputten Motor. Schlaff und mit glasigem Blick starb er dort vor meinen Augen, und am Himmel schienen sich zürnende Geister zu drängen, um ihn in Empfang zu nehmen.
    Ich ließ die Pistole fallen und eilte zu Ben, dem die Tränen nur so über das Gesicht strömten. Er hielt die Arme fest um den Körper geschlungen und wurde von Schluchzern geschüttelt.
    «Wie hast du mich bloß gefunden?» Ich schlang die Arme um ihn und spürte, wie er zitterte. Wir hielten einander so fest wie an dem Abend, als wir Hugo verloren und geglaubt hatten, schlimmer könne es nicht mehr werden.
    «Du warst nicht zu Hause», flüsterte Ben an meinem Ohr. «Da habe ich mir Sorgen gemacht. Ich bin überall herumgerannt, um dich zu suchen. Und als ich dich auf dem Handy angerufen habe, hast du Joe zu mir gesagt und mich beschimpft.»
    «Das warst du?»
    «Warum hast du das gesagt?»
    «Schätzchen   … das galt doch nicht dir. Ich dachte, er ist es. Ich bin hierhergekommen, um dich zu suchen.»
    «Das habe ich mir irgendwie gedacht. Ich habe seine Adresse auf dem Anrufbeantworter gehört.»
    «Du bist ein Held.» Ich drückte mein feuchtes Gesicht an seinen Hals. Bald würde er größer sein als ich, er würde erwachsen werden und von mir fortgehen. Mein kleiner Junge.
    «Ich hab dich lieb, Mom.»
    «Ich hab dich auch lieb, Ben. Ich habe dich ganz schrecklich lieb.»
    «So ein gottverdammter Penner.»
    «Ja, das kann man wohl sagen.»
    Kurz darauf durchschnitt das mehrstimmige Geheul von Martinshörnern die Stille, blinkende Lichter ließen das schwache Mondlicht verschwinden, und plötzlich wimmelte es auf dem brachliegenden Grundstück von Polizisten. Wie aus dem Nichts war ein gutes Dutzend Streifenwagen aufgetaucht.
    «Ich hab den Detective angerufen», flüsterte mir Ben ins Ohr.
    «Großartig», flüsterte ich zurück. «Das hast du sehr gut gemacht.»
    Sekunden später umringte uns ein Kreis bewaffneter Polizisten, die ihre Waffen allesamt auf Joe gerichtet hielten. Den toten Joe. Erstaunlich, wie viel Aufmerksamkeit er plötzlich auf sich zog, jetzt, wo er

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