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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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holpriger, ständig geriet ich in Schlaglöcher, die ich nicht rechtzeitig gesehen hatte. Mir wurde rasch klar, weshalb Joe hier eine bezahlbare Wohnung gefunden hatte: Das Viertel war heruntergekommen, bis auf zwei Geschäfte mit großen Fensterfronten, einenBuchladen und eine angesagte Bar, die ersten Ausläufer der Sanierungswut. Die Straßenlaternen standen wie zufällig verteilt in dieser gottverlassenen Straße, die das recht gute Wohnviertel dahinter wie ein Grenzwall zum East River umgab. Das Wasser des Flusses wirkte an diesem windstillen Abend ruhig und tintig, fast unbewegt – ein schwarzer Spiegel, der Brooklyn von Manhattan trennte. Auf der dunklen Oberfläche spiegelte sich ein heller Halbmond.
    Joe wohnte in der Imlay Street 65.   Ich erinnerte mich noch ungefähr, wo das war, weil Ben und ich im August einmal in der Gegend gewesen waren, um bei Fairway einzukaufen. Die Van Brundt Street erkannte ich gleich wieder, dort bog ich ab. Und da war die Imlay Street. Ich fuhr um die Ecke und wurde langsamer, um die Hausnummern lesen zu können.
    Noch ehe ich das Haus gefunden hatte, klingelte mein Handy. Bens Nummer erschien auf dem Display. Joe, der mich von Bens Handy aus anrief. Ich hielt am Straßenrand, vor einem großen, unbebauten Grundstück, das von Schrott übersät war: rostige Autos, kaputte Einkaufswagen, stapelweise Autoreifen und dazwischen sechs der riesigen Container, die auf Schiffen zum Transport verwendet werden und einfach hier nahe dem Fluss abgestellt worden waren.
    Dann schrie ich ins Telefon: «Du Schwein!»
    Schweigen. Ob er jetzt vor Ben stand, dessen Handy an sein ekelhaftes Ohr gepresst? Wahrscheinlich genoss er meine Angst auch noch.
    «Joe!»
    Schweigen. Mit zitternden Fingern beendete ich den Anruf. Jess: Ich musste Jess anrufen. Doch als ich mit bebender, feuchter Hand versuchte, die Kurzwahltaste zu drücken, fiel mir das Handy herunter und verschwand in dem Spalt zwischen den beiden Vordersitzen. Mir blieb keine Zeit, es wiederherauszufischen. Ich griff nach meiner Handtasche, in der die geladene Pistole lag, und stieg aus. Die Fahrertür ließ ich offen und die Scheinwerfer eingeschaltet, damit ich sehen konnte, wohin ich trat. Und damit auch mich jeder sah, der nach mir suchen würde.
    Die Nummer 65 lag einen halben Block entfernt, zwischen der Bowne Street und der Sebring Street. Ich wechselte die Straßenseite und blieb vor dem heruntergekommenen, grüngedeckten, leicht windschiefen Haus stehen. Ich wusste, dass er in einer der unteren Wohnungen wohnte, und da stand auch schon sein Name, am Ende einer kurzen Reihe von Klingelschildern:
Joe Coffin.
Ich drückte den schmierigen weißen Klingelknopf und hämmerte wutentbrannt an die Haustür.
    «Joe! Joe!»
    Doch ich hätte weder klopfen noch brüllen müssen. Er öffnete umgehend, den Kopf leicht schief gelegt, mit genau dem Grinsen, das ich mir kurz zuvor ausgemalt hatte. In seinen Augen lag ein unnatürliches Glitzern.
    «Tut mir leid, dein Freund ist schon wieder weg.» Sein sarkastischer Ton ließ mir das Herz gefrieren. Er stand in der offenen Tür. Hinter ihm sah ich einen schmuddeligen Flur, eine nackte Glühbirne an der Decke und zwei Wohnungstüren, von denen eine offen stand.
    «Wo ist er?»
    «Jesus hat uns verlassen.» Er grinste, schien das witzig zu finden.
    «Nicht er. Ben.»
    Joes Blick wurde nachdenklich, vielleicht auch berechnend, dann trat er grinsend beiseite. Ich stürzte an ihm vorbei in den Flur. Zuallererst nahm ich den penetranten Uringeruch wahr, dann schimmlige Feuchtigkeit. Ich eilte auf die offene Tür zu, hinein in Joes Wohnung.
    Es war ein Einzimmerappartement. In einer Ecke stand ein Doppelbett, an der Wand gegenüber der kleinen Küche ein Tisch mit einem einzelnen Stuhl. Gleich neben der Eingangstür befand sich ein winziges Bad ohne Tür. Alles war sehr sauber. Sehr ordentlich. Der Schrank stand direkt neben dem Bett, andere Möbelstücke gab es nicht.
    «Ben!» Ich riss die Schranktür auf. Auf dem Boden stapelten sich Bücher, darauf standen drei Paar Schuhe. Auf Kleiderbügeln hingen ein paar Hemden und Hosen, über der Kleiderstange eine rote Krawatte neben einem braunen Ledergürtel.
    Joe war hinter mir hereingekommen und sah mir bei meiner fieberhaften Suche zu. Er hatte die Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben, stand einfach da, ruhig und gelassen. Dann nickte er mit dem Kopf, als würde ihm gerade etwas klar.
    Ich drehte mich zu ihm um. «Wo ist Ben?» Schweißtropfen

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