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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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abartiges Schwein bin.
    Dann ging die Tür zu. Und nie wieder auf.
    Sie fehlt mir, hat Jo geflüstert, in die Brust von Mosca hinein. Sie fehlt mir, und es tut so weh, und es hört nicht auf. Ich will sie zurück, ich will, dass sie mich versteht, ich will, dass sie weiß, wer ich bin, ich will, dass sie mich endlich liebt. Ich will, dass sie mein Blau sieht.
    Sie sind die halbe Nacht wach nebeneinander gelegen. Mosca war für Jo da. Er hielt ihn mit allem, was er war, in seinen Armen. Die Tränen fest umschlungen.
    Das war irgendwann vor drei Jahren.
    Mosca drückte auf den Klingelknopf. Gestern.
    Er hatte sie noch nie vorher gesehen, er kannte sie von Jos Beschreibungen, er würde mit ihr reden, versuchen, ihr zu erzählen, wie Jo gelebt hat in den letzten Jahren, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hat, dass er wollte, dass sie das Bild bekommt. Jo wollte sie teilhaben lassen an seinem Leben, aber sie ließ es nicht zu. Er würde kurz mit ihr reden, ihr das Bild geben und gehen, er würde sie nie wieder sehen. Er tat es für Jo.
    Er hatte nie verstanden, wie so etwas passieren, wie eine Familie so zerbrechen, wie eine Mutter so handeln konnte, er wollte nicht urteilen, aber er hasste sie für das, was sie Jo angetan hatte. Eigentlich war es Verachtung.
    Er drückte den Knopf dreimal, bevor sie öffnete.
    Sie stand da, wie Jo sie beschrieben hatte.
    Mosca spürte einen Augenblick lang Wut, als er sie sah, kurz hätte er ihr seine Verachtung ins Gesicht schreien wollen, doch er fing sich wieder und sprach langsam und sachlich.
    Ich war der Lebensgefährte Ihres Sohnes, ich würde gerne kurz mit Ihnen sprechen.
    Mosca schaute in ein ungerührtes Gesicht.
    Diesen Weg hätten Sie sich sparen können, verschwinden Sie.
    Zuerst hatte sie nichts gesagt, ihn nur angestarrt, diesen perversen alten Bock, der ihren Sohn in die Abartigkeit getrieben hatte, dieses Schwein.
    Verschwinden Sie, sagte sie wieder und warf die Tür zu.
    Mosca stemmte sich dagegen, bevor sie ins Schloss fiel.
    Warten Sie, sagte er, ich habe etwas von Ihrem Sohn. Er wollte, dass Sie es bekommen.
    Der Druck von innen auf die Tür ließ nach. Sie öffnete sie einen Spalt weit. Langsam kam ihr Gesicht wieder zum Vorschein.
    Ich will nichts von ihm.
    Sie starrte auf das in Packpapier eingewickelte Bild.
    Er wollte, dass Sie sehen, wofür er gelebt hat, es ist sehr wertvoll, ich schiebe es durch den Spalt zu Ihnen hinein, dann gehe ich. Auf der Rückseite des Bildes klebt meine Karte, Sie können mich anrufen, falls Sie doch mit mir reden wollen.
    Er schob das Bild durch den Spalt und ging. Er ekelte sich.
    Was für ein Mensch, dachte Mosca, als er wieder auf der Straße war. Er hatte es für Jo getan, aber er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, zu ihr zu fahren, ihr das Bild zu geben, sie würde es nicht verstehen, sie würde nichts begreifen.
    Er stand lange vor dem Haus, schaute in alle Richtungen und erinnerte sich an das, was Jo erzählt hatte. Eine traurige Welt hatte er seine Straße genannt, und Mosca wusste jetzt, was damit gemeint war. Alles hier war traurig. Eine traurige Straße und traurige Häuser, in denen traurige Menschen wohnten. Und Arsch­löcher.
    Wütend ging er die Straße hinunter auf der Suche nach einem Taxi. Nur langsam kam seine Fassung zurück.
    Jo war seit einem Jahr tot. Er hatte sein Leben wiedergefunden, er hatte aufgehört zu weinen, er hatte ihn losgelassen. Jo tauchte irgendwo im Blau. Mosca war neben ihm hergeschwommen und wieder aufgetaucht. Die Begegnung mit Jos Mutter riss ihn kurz wieder nach unten, sie erinnerte ihn an Jos Schmerz und an seinen eigenen.
    Er hasste diese Frau. Er würde sie nie wieder sehen.
    Sie stand hinter der Tür und atmete schwer.
    Lange stand sie da und rührte sich nicht.
    Das Bild stand am Boden gegen die Wand gelehnt. Sie überlegte. Sie wollte das alles nicht, sie wollte nichts mehr wissen, sie wollte es hinter sich lassen, alles vergessen, ohne Erinnerung leben, irgendwann einfach sterben, langsam mit den Jahren. Sie erwartete nichts mehr, sie wollte ihre Ruhe, keine Störung der vertrauten Traurigkeit, nichts, was sie nach oben schleudern würde ins Licht. Sie würde es nicht ertragen, in ihrer Welt war es dunkel, seit ihr Mann gestorben war. Sie war hart geworden in all den Jahren. Keine Berührung, kein Lachen, keine Nähe, nichts.
    Sie verließ kaum ihre Wohnung, sie begnügte sich damit, einfach dazusitzen und zu warten, bis endlich alles

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