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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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hätten sein können. Er war vierzehn Jahre älter als Jo, er legte Wert auf Stil und Eleganz, er hatte Klasse. Jo war verrückt, er brannte, da war ein Feuer in ihm, seine Schuhe waren bunt, gedeckte Farben ertrug er nicht an sich. Sie erinnerten ihn an seine traurige Straße, an das traurige Grau des Asphalts, auf dem er so viele Jahre gegangen war. Das Weiß in der Wohnung ließ beiden den Raum, den sie brauchten, um nebeneinander sein zu können.
    Weiß sperrt nichts ein, hatte Jo gesagt.
    Das Taxi war am Flughafen angekommen.
    Kurz dachte Mosca an den Fahrer, der ihn nach München gebracht hatte, dann stieg er aus und suchte sich ein Flugzeug.
    Das blaue Monochrom lag irgendwo in Schwabing in einer Mülltonne.
    Das war gestern am Nachmittag.

6.
    Olivier nahm sich die Zeit, es auszupacken.
    Er stand an der Tonne, den Deckel in der linken Hand, und sah etwas Rechteckiges, in Packpapier eingewickelt, das Packpapier eingerissen an einer Seite, es war nass geworden und dann wieder getrocknet. Aber es passte nicht in diese Tonne, es passte nicht zu dem anderen Müll, es war so sauber, mit Bedacht verpackt, jemand musste es erst kürzlich hineingeworfen haben, es lag kein Müll darauf, er konnte es mit seiner rechten Hand leicht zu sich drehen und das Packpapier an der gerissenen Stelle weiter öffnen. Es schimmerte blau. Olivier wusste nicht, was er erwartet hatte, er war nur neugierig, er war immer neugierig gewesen. Er beschloss, seine Arbeit für einen weiteren Augenblick zu unterbrechen, öffnete den Deckel ganz und legte das Bild frei, es lag vor ihm in der Tonne auf dem schützenden Papier und strahlte ihn an.
    Nur blau, dachte Olivier, aber irgendwie gefiel es ihm.
    Er wusste nur noch nicht wie sehr. Aber er würde es mit nach Hause nehmen, irgendetwas war mit diesem Bild, er wusste nicht, was es war, es kam ihm bekannt vor, er hatte es schon gesehen irgendwann, eine Abbildung vielleicht, ein blaues Bild, und es leuchtete, es war kein gewöhnliches Blau. Er würde sich am Abend damit beschäftigen. Dann packte er es wieder in das Papier und hob es aus der Tonne, er legte es auf den Beifahrersitz und kümmerte sich um den Müll. Atze nahm es neugierig in die Hand und schaute unter das Papier.
    Was willst du mit dem Scheiß, sagte er, als Olivier wieder neben ihm saß. Das ist doch nur blau. Dem ist nicht besonders viel eingefallen. Er lachte laut. Der hatte kein Geld für die anderen Farben im Farbkasten, den haben sie im Abendkurs strafmalen lassen.
    Atze amüsierte sich köstlich, ihm fielen noch andere Gründe ein, warum das Bild nur blau war, aber Olivier gefiel es.
    Es ist hübsch, dachte er, es ist irgendwie anders, und diese Farbe, irgendetwas ist mit dieser Farbe, wie sie leuchtet.
    Nach Dienstschluss fuhr er mit dem Bild am Beifahrersitz in seine Wohnung, er stellte es auf den Fernseher und warf sich, ohne sich zu duschen und umzuziehen, aufs Bett, er legte die Hände in seinen Nacken und schaute das Bild an.
    Ich kenne dieses Bild, sagte er sich, aber es fällt mir nicht ein, es lag in einer Mülltonne, warum sollte er dieses Bild kennen, irgendeine Hausfrau hatte es gemalt und dann unzufrieden zum Müll gebracht, wahrscheinlich wollte sie nicht, dass es jemand sieht, und hatte es deshalb verpackt. Wie konnte er es schon einmal gesehen haben, und wo. Das war unmöglich. Olivier spielte mit seinen Gedanken, aber er war sich sicher, er kannte dieses Bild, zumindest eines, das so ähnlich war.
    Er stand auf und suchte nach seinem Kunstgeschichte-Lexikon, er würde dort mit der Suche beginnen. Wenn er es gesehen hatte, dann wahrscheinlich dort. Er ging seine Regale ab, aber er fand das Buch nicht. Hatte er es Herta geliehen, er wusste es nicht mehr. Oder hatte er das Bild in einer Zeitschrift gesehen. Oder im Fernsehen. Es gefällt mir, dachte Olivier wieder und ging in die Küche, um sich ein Brot zu richten. Er kam mit einem Teller und einer Tasse Tee zurück und schaute auf das Bild. Er saß jetzt ganz nah davor auf einem Stuhl, den Teller auf seinem Schoß, die Tasse in der Hand.
    Er beugte sich vor und sah die Farbteilchen, wie sie dicht aneinander gedrängt auf der Leinwand lagen, wie sie strahlten. Er strich mit den Fingern darüber und spürte die Farben, er biss in sein Brot und streifte über die abgerundeten Kanten. Er überlegte, aber es fiel ihm nicht ein. Dann rief er Herta an.
    Ich habe heute ein schönes Bild im Müll gefunden.
    Du Glückspilz, sagte sie.
    Es ist wirklich schön, sagte er.

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