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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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den Mann im grünen Anzug, wie er alles hatte. Ihn liebten die Frauen sicher, er wirkte selbstbewusst, er war schön auf seine Art, und er war dicht. Die Hose seines Anzugs saß perfekt auf seinen Beinen. Nichts drängte sich zwischen Stoff und Haut. Nichts war im Weg.
    Mosca war das zappelnde Bein aufgefallen, wie es immer gleich unter dem Tisch wippte. Er schaute dem Bein entlang nach oben, bis zu den Fingern, die kurz in dem schmalen Mund verschwanden. Er zog sie heraus und leckte sie ab. Die Hose ist zu weit, dachte Mosca, und das Tweed-Sakko passt nicht zu ihm. Mosca beobachtete ihn, er ließ seinen Blick lange liegen auf ihm, und dann kreuzten sie sich. Onnis Augen und die von Mosca, sie schauten sich an. Lange. Beide hörten nicht auf, sich anzuschauen. Sie wichen sich nicht aus, sie musterten einander, nicht feindselig waren die Augen, neugierig vielleicht. Mosca trank sein Bier.
    Onnis Bein wackelte. Zaghaft schob er die fetten, kleinen Stangen in sich hinein, er musste etwas essen, er zwang sich dazu, er hatte keinen Appetit, aber er wusste, dass er jetzt essen musste, und diese Art von Essen war unkompliziert, es ging schnell und mit den Fingern. Es war schnell vorbei. Dann würde er ein Bier trinken wie der Mann im grünen Anzug und rauchen, vielleicht würde er sich zu ihm setzen, ihn ansprechen, sich mit ihm unterhalten. Doch der Teller war noch nicht leer. Er musste essen, einen Tag lang hatte er es nicht getan. Er würde seinen Körper versorgen, dann würde er hinübergehen. Er wollte diesen Mann kennen lernen, vor ihm hatte er keine Angst. Er hatte etwas Stilles an sich, etwas Friedliches. Dieser Mann würde ihm nicht weh tun, ihm konnte er vertrauen, das sah er in seinen Augen. Aber da waren immer noch achtzehn Pommes frites auf dem Teller. Mosca hatte begonnen mitzuzählen. Er merkte, wie mühsam es für diesen Mann war, seine Mahlzeit zu beenden. Er beobachtete, wie er sie mit zwei Fingern vom Teller hob, wie er sie kurz anschaute und dann in sich versenkte. Er kaute fast nicht, nur ein, zwei Mal, kurz nur, er zerquetschte die Kartoffeln in seinem Mund und schlang sie hinunter.
    Sein Blick ging nicht von ihm weg. Und der von Onni auch nicht. Als das letzte Stück im Mund verschwand und er den Teller weit von sich schob, lächelte Mosca.
    Onni lächelte zurück.
    Er stand auf und kam zu Moscas Tisch.
    Ohne zu fragen setzte er sich und begann wieder mit seinem Bein zu zappeln. Mosca spürte, wie der Tisch leicht zitterte. Kurz berührten sich ihre Beine.
    Mosca bewegte sich nicht, er ließ seine Beine dort, wo sie waren. Moscas Hand hielt das Glas, seine Augen lagen auf dem hageren Mann neben ihm.
    Schön, dass Sie sich zu mir setzen, mein Name ist Mosca.
    Er schaute freundlich, er lächelte.
    Onni, mein Deutsch ist langsam, ich bin Däne, Sie haben einen schönen Anzug.
    Onni bestellte Bier und sie begannen sich zu unterhalten, über Dänemark zuerst, dann über Onnis Arbeit. Er vermietete Menschen. Das Geschäft mit den Leiharbeitern funktioniert in Dänemark, es ist alles organisiert, aber ich darf nicht mehr zurück. Onni holte weit aus.
    Ich komme aus Århus, das ist mitten in Dänemark, aber sie haben mir einen finnischen Namen gegeben. Meine Mutter war Finnin. Onni heißt Glück auf Finnisch. Ein absurder Irrtum, mich damit in Verbindung zu bringen. Glück hatte ich nie, fast nie, in vierundvierzig Jahren zwei Mal. Das ist zu wenig mit so einem Namen. Und bei dem, was mir sonst passiert ist, ist es wie ein Witz, wie eine Hand, die in mein Gesicht kommt, wie eine Ohrfeige jeden Morgen, wenn ich aufwache.
    Århus, ich habe dort eines dieser Koloniehäuser. Das war das erste Mal, dass ich Glück hatte. Ich hatte mich auf die Liste setzen lassen und irgendwann haben sie angerufen, Sie können ein Haus kaufen, haben sie gesagt. Spottbillig. Das machen sie, damit sie glücklich sind, die Dänen, ein Haus für den Sommer, mit einem Garten für das Gemüse. Und wegen der Ruhe.
    Sie machen die Dänen glücklich mit Sommerhäuschen. Ich habe es gekauft, aber ich darf dort im Winter nicht wohnen, nicht schlafen, ich darf am Tag dort sein, aber ich darf dort nicht schlafen. Deshalb bin ich hier in Deutschland. Ich bin gerne in Deutschland, ich muss gerne hier sein. Ich darf nicht mehr zurück, sie würden mich einsperren, ich habe Steuerschulden, ich habe nichts einbezahlt, ich habe alles behalten, jede Krone für jede Stunde von jedem meiner Arbeiter. Ich hatte fünfzig, die für mich arbeiten gingen.

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