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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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jetzt damit aufhören. Er träumte vor sich hin, schaute das Bild an und überlegte, was es wert sein könnte, er malte sich seine Zukunft aus, was er machen würde mit dem Geld, er stellte sich ein neues Leben vor, doch immer wieder kam ihm die Wirklichkeit dazwischen, die Millionen lagen nicht einfach im Müll, das Glück kommt nicht einfach so in sein Wohnzimmer, man findet es nicht in einer Mülltonne. Und trotzdem ließ er sich hinreißen.
    Es war ein schöner Abend, er war beschäftigt, er genoss dieses Spiel mit seinen Gedanken, und Herta würde kommen, er mochte sie, mit ihr konnte er reden, sie verstand ihn und er verstand sie, sie trafen sich in ihren Gesprächen, sie aßen und tranken mitein­ander und lachten viel. Hertas Unförmigkeit störte ihn kaum mehr.
    Dann läutete sie.
    Olivier sprang auf und erwartete sie an der Tür.
    Schön, dass du da bist, sagte er, sie keuchte und lachte ihn an. Zeig mir das Buch, drängte er.
    Zuerst die Pastete, sagte sie und schob Olivier vor sich her in die Küche.
    Olivier kostete hastig. Die Pastete war herrlich.
    Eigentlich wäre Herta lieber Köchin geworden, aber ihr Vater hatte auf etwas Medizinischem bestanden. Er war Arzt, am liebsten wäre ihm gewesen, Herta hätte studiert wie er. Er wollte stolz auf seine Kinder sein, aber sie machten es ihm schwer. Atze hatte früh mit der Sauferei begonnen und nie wieder damit aufgehört. Er war früh von der Schule abgegangen und ausgezogen. Als ihr Vater erfahren hatte, dass er zur Müllabfuhr gegangen war, hatte er einen Herzinfarkt. Er konzentrierte sich dann auf Herta, dass aus ihr etwas werde, dass sie zumindest annähernd etwas täte, auf das er stolz sein könnte. Und Herta war unglücklich während ihrer Ausbildung, sie wollte Köchin sein, sie wollte ihr eigenes Restaurant irgendwann.
    Du bist begnadet, sagte Olivier, die Pastete ist ein Gedicht, aber bitte zeig mir jetzt das Buch.
    Er ging mit Herta ins Wohnzimmer und setzte sich auf den Stuhl. Es schaut genau so aus, sagte sie.
    Olivier spürte sein Herz schlagen und blätterte in dem Lexikon, das vor ihm lag. Sein Blick ging vom Bild auf das Buch und wieder zurück. Er empfand etwas Großartiges, er hatte es gewusst, und vielleicht war es gar kein Traum, vielleicht war es tatsächlich ein Bild von Yves Klein, es war alles möglich, und das war aufregend.
    Herta saß neben ihm auf der Bettkante. Sie starrten auf das Bild.
    Was, wenn es wirklich echt ist, sagte Olivier.
    Du spinnst, antwortete Herta.
    Lange gingen sie alle Möglichkeiten durch, sie lasen den Eintrag zu Yves Klein mehrere Male und beschlossen dann, bei dem Kritiker anzurufen. Sie würden ihren Namen nicht nennen, sie würden nur nach einem blauen Bild fragen, das sie im Müll gesehen hatten. Was es mit diesem Bild auf sich habe, wollten sie ihn fragen, dass es den Bildern eines französischen Malers glich, wollten sie ihm sagen. Und sie wollten von ihm hören, dass es eine billige Kopie war, die sie in der Mülltonne zurückgelassen hatten, alles andere würden sie sich sonst ein ganzes Leben lang nicht verzeihen.
    Olivier wählte.
    Herta hatte ihr Ohr ganz in der Nähe des Hörers.
    Olivier spürte ihren Atem, ein Hauch von Pastete kam in seine Nase. Sie hörten das Freizeichen, achtunddreißig Mal, dann legte Olivier den Hörer zurück auf das Telefon.
    Das war gestern Abend.
    Mosca saß in einem Flughafen-Café.
    Er hatte noch Zeit. Er trank billigen Weißwein und ekelte sich. Dann bestellte er Bier und beobachtete den hageren Mann ihm gegenüber. Mosca war vierhundert Kilometer entfernt von seinem Telefon. Er hatte sich vorgestellt, wie Jos Mutter vor dem Bild saß, wie sie es verkaufen würde am nächsten Tag, wie sie auf Jo scheißen würde.
    Wie widerwärtig sie war.
    Noch einmal läutete das Telefon in Frankfurt.
    Herta hatte Olivier gedrängt, es ein zweites Mal zu versuchen, aber wieder hob niemand den Hörer ab. Sie versuchten es den ganzen Abend und noch länger.
    Wo ist dieser Mensch, sagte Herta, und warum steht da keine Mobilnummer auf der Karte, warum hebt er nicht ab, das darf nicht wahr sein, ich will das jetzt wissen, Olivier, wir fahren hin.
    Olivier schaute sie verwundert an, doch Herta hatte es bereits beschlossen.
    Eine Stunde später verließen sie die Wohnung und stiegen in Hertas Alfa.
    Ich liebe dieses Auto, sagte sie immer. Und dass Olivier sich anschnallen solle.
    Wir haben es eilig, sagte sie und gab Gas.
    Olivier hielt sich fest und presste seine Augen fest zusammen.

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