Nur Blau - Roman
Erst langsam gingen sie wieder auf. Herta fuhr gleichmäßig dahin, Olivier entspannte sich. Hertas Fahrstil war beunruhigend für ihn, seine Bitten, sie solle doch Rücksicht auf ihn nehmen, er sei ein schlechter Beifahrer, er habe Angst, ignorierte sie. Er war ängstlich in Autos. Immer schon.
Gewöhn dich daran, sagte Herta immer. Du brauchst keine Angst zu haben, Respekt soll man haben, aber keine Angst, ich passe auf dich auf, Lieber.
Schon oft hatte Olivier das Gefühl, sie wären nur knapp mit dem Leben davongekommen, aber Herta sagte nur, er solle sich nicht lächerlich machen.
Respekt, Olivier, keine Angst.
Er entspannte sich, zurückgelehnt dachte er nach, das Bild lag am Rücksitz. Sie fuhren nach Frankfurt. Sie würden den Besitzer des Bildes aufsuchen, sie würden wahrscheinlich einen Fehler machen. Olivier war sich nicht sicher.
Wir können da nicht einfach hineinmarschieren, Herta, was sollen wir sagen, und das Bild, wenn wir es ihm zeigen, wenn es echt ist, dann will er es zurück.
Herta überlegte.
Uns fällt schon was ein, sagte sie, wir haben noch die ganze Nacht, versuch zu schlafen, Olivier, ich pass schon auf dich auf.
Olivier stöhnte und machte vorsichtig seine Augen wieder zu.
Das war gestern um neun Uhr abends.
7.
Onni steckte sich eine Pomme frite in den Mund.
Er saß in dem Flughafen-Café und wartete auf seinen Aufruf. Sein rechter Fuß zappelte unter dem Tisch. Der Absatz machte das vertraute Geräusch. Das Bein wippte auf und nieder, der Schuh traf den Boden immer im selben Rhythmus. Ein zartes Klappern ununterbrochen. Onni fiel das nervöse Zucken seines rechten Beines nicht mehr auf, es zuckte immer. Das Zucken gehörte zu ihm. Es war eine vertraute Angewohnheit seit Jahren. Sein Hirn hatte das für sein Bein so vorgesehen, er musste nichts dazu tun. Es war wie eine Laune.
Es klapperte unter dem Tisch.
Mosca saß da und trank sein Bier. Kurz schaute er finster, dann öffnete sich sein Blick wieder, er wirkte gelassen und ausgeglichen. Onni gefielen der Anzug und das Hemd, eine elegante Erscheinung, dachte er, aber nicht arrogant, interessant vielleicht, auf alle Fälle etwas Besonderes. Auffallend zwischen all dem anderen Getier. Onni mochte die Menschen nicht besonders, er war Einzelgänger, er hatte sich daran gewöhnt.
So kann mir niemand weh tun, dachte er, so macht mich keiner kaputt.
Er liebte Anzüge, aber die Windeln machten es ihm unmöglich. Sie lagen dick und flauschig auf seinem Hintern, befestigt mit Klebestreifen umgaben sie seine Haut.
Seit sieben Jahren rann sein Harn einfach aus ihm heraus, wann immer sein Körper es wollte, ohne Vorwarnung kam er in seine Hose, über seine Oberschenkel nach unten.
Er trug Windeln und deshalb immer weite Hosen.
Onni war inkontinent.
Sein Fuß zuckte, er spürte, wie die Windel nass wurde, ein klein wenig nur, aber es kam etwas heraus aus ihm, er hatte keinen Einfluss darauf, es passierte einfach. Wie das mit seinem Bein.
Es gibt keine Lösung, hatten die Ärzte gesagt, nur Windeln. Sie arbeiten daran, aber noch gibt es keine Lösung. Sie arbeiten daran, hatte ihm der Arzt immer wieder gesagt, nachdem er begonnen hatte zu weinen im Untersuchungszimmer. Es war kein guter Tag damals. Seine Windel war voll, es roch nach kaltem, abgestandenem Urin, als er sich auszog, und er sah die Schwester, wie sie die Lippen verzog und die Nase zusammendrückte, kurz nur, einen Augenblick lang.
Er hatte gesehen, dass sie sich ekelte vor ihm, vor der nassen Windel und seiner urinverschmierten Haut. Er hatte schnell zu den Feuchttüchern gegriffen, die er immer bei sich hatte, und sich abgewischt, die Windel zusammengerollt und mit den Klebestreifen fest verschlossen. Noch einmal konnte er sie kurz sehen, das Gesicht dieser Frau. Wie irritiert es war, wie angewidert und verständnislos. Dann kamen die ersten Tränen. Langsam tropften sie aus den Augen, er wehrte sich dagegen, aber sie kamen heraus.
Ihm fiel plötzlich alles wieder ein, alle Demütigungen der letzten Jahre, alle Beleidigungen, alle Kränkungen und die unendliche Sehnsucht nach einer Frau. Mit ihr zusammen sein, sie lieben vielleicht, aber das ging nicht. So weit durfte es nicht kommen. Sie würden ihn wieder und wieder verletzen, ihn auslachen, sich ekeln vor ihm und ihn zurückweisen. Sich von ihm entfernen, ihm den Rücken zukehren und sich lustig machen.
Sie würden es nicht verstehen.
Er schob eine Pomme frite nach der anderen in seinen Mund und beobachtete
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