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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Seiten hinunter. Seine Beine bewegten den geschockten Körper zurück. Ben spürte die Tischplatte und einen Stuhl hinter sich, der Chinese blieb stehen.
    Setz dich, kam es aus seinem Mund.
    Ben schaute kurz zurück, spürte den Sessel und ließ sich sprachlos nieder. Der Chinese bohrte sein Augen tief in Ben hinein. Ben spürte sie. Diese kleinen chinesischen Augen. Er konnte nichts dagegen tun.
    Wenn du dich bewegst, bist du tot, sagte der Chinese.
    Seine Stimme war hoch und kantig, fast schrill. Er sagte nur das Nötigste, er kontrollierte das Geschehen mit seinen Blicken, mit ihnen flößte er Ben Angst ein. Sie rann in Ben hinunter, kroch durch seinen Körper, machte sich dort breit. Der Chinese nahm ein Seil aus seiner Tasche. Er legte das Gewehr auf den Boden und fesselte ihn an den Stuhl. Ben rührte sich nicht.
    Der kleine Augenblick, in dem der Chinese unbewaffnet war, in dem Ben versuchen hätte können, ihn zu überwältigen, war vorbei. Er saß unbewegt auf dem Sessel und ließ sich das Seil um den Körper legen, um seine Hände und Beine. Er roch den Rauch in dem hässlichen Gesicht, die gegerbte chinesische Haut. Er spürte den Atem auf sich, er spürte, dass etwas Furchtbares mit ihm passieren würde, dass er machtlos war, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, dass er festgebunden war, dass das Seil hart in seine Haut schnitt an einigen Stellen, dass es sinnlos war zu versuchen, sich zu befreien. Er war gefangen. Etwas Furchtbares würde passieren. Jetzt.
    Der Chinese nahm einen Stuhl, stellte ihn direkt vor Ben hin und setzte sich. Er wirkte zufrieden, ein zartes Grinsen kam auf seine Lippen. Er nahm eine neue Zigarette aus der Packung und rauchte, die Augen auf Ben gerichtet, auf sein entsetztes Gesicht. In seine bestürzten Augen hinein. Eine Zeit lang passierte nichts. Keiner sagte etwas. Ben sollte seine Angst spüren, er sollte sie überall spüren, sie sollte ihn kaputt machen, sie sollte ihn auffressen von innen heraus, von innen an ihm nagen.
    Spürst du es, sagte die schrille Stimme. Spürst du, wie sie dich kaputt macht, wie sie dich zersetzt, wie sie in deinem Kopf ist. Es ist gut, dass du Angst hast. Ich werde dich jetzt bestrafen. Wenn du etwas sagst, bist du tot.
    Wie versteinert saß Ben auf seinem Sessel, nichts an ihm bewegte sich, nichts rührte sich, seine Glieder waren steif. Er konnte nichts tun, nicht einmal seine Finger, die ungesehen in seinem Rücken von den starren Händen hingen, bewegten sich. Er wird mich töten, wenn ich mich bewege, er wird mich töten.
    Ben hatte einen Artikel gelesen über die Todesstrafe in China, über Folterungen, über unmenschliche Grausamkeiten. Jetzt war das alles hier in seiner Wohnung. Er würde diese Nacht nicht überleben. Und doch war da ein Rest von Hoffnung. Wenn er sich ruhig verhielt, wenn er alles tat, was der Mann von ihm verlangte, dann würde er vielleicht überleben, vielleicht würde er sich mit Folterung begnügen, ihn einfach nur bestrafen, ihn schwer verletzen, aber am Leben lassen.
    Es war unerträglich. Der Chinese saß da und rauchte.
    Er genoss es, Ben so zu sehen, er überlegte vielleicht, was er mit ihm machen würde, was er ihm antun könnte. Er spielte mit dem Rauch, der aus seinem Mund kam. Er blies ihn in Bens Gesicht. Er kam ganz nah an Ben heran und blies ihm den Rauch in die Augen. Ben konnte die gelben, verfaulten Zähne sehen.
    Er machte die Augen zu. Als er sie wieder aufmachte, zog der Chinese gerade einen Kaffeelöffel aus seiner Tasche. Einen kleinen silbernen Löffel, in den chinesische Schriftzeichen graviert waren. Er drückte seine Zigarette aus, dann schob er den Stuhl nach vorne, ganz dicht an Ben heran. Er hauchte auf den silbernen Löffel, er polierte ihn mit einem Tuch und hob ihn stolz in die Luft.
    Es ist wie Musik, sagte er.
    Ben schaute irritiert, dann spürte er den ersten Schlag. Er war leicht, kaum spürbar, eine sanfte Berührung fast mit dem kalten Metall.
    Der Chinese hielt den Löffel zwischen Daumen und Zeigefinger, wie ein exotisches Instrument. Die Finger berührten den Stiel kaum, er pendelte, er schwang auf und nieder, aber folgte den Befehlen des kleinen Mannes. Der Löffel schlug mit der runden Seite auf Bens Stirn auf. Der Chinese hatte seine Ellbogen auf seinen Knien aufgestützt. Er führte den Löffel zu Bens Stirn und schlug sanft gegen den Knochen. Es war ein kaum hörbares Geräusch. Es war die Haut, die man hörte, wie sie gegen den Knochen darunter gepresst wurde. Es war

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