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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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angefleht, wie er zu weinen begonnen hat, wie er auf die Knie gegangen und zu ihm hingekrochen ist. Wie er zu ihm hinaufgeschaut und gesagt hat, bitte helfen Sie mir. Wie der Stammzellenforscher ihn hochgezogen und zu beruhigen versucht hat. Wie er rot geworden ist und versucht hat, Onni zu beruhigen, wie er ihn dazu gebracht hat, sich wieder in seinen Stuhl zu setzen und zu akzeptieren, dass sie die Behandlung ohne Finanzierung nicht durchführen konnten. Und wie Onni erneut zu weinen und zu betteln begonnen hat. Wie er sich wieder auf den Boden geworfen hat und zu seinem Retter hinrobben wollte. Wie ihn aber zwei andere aufgehoben und aus dem Raum und dann aus dem Gebäude gebracht haben. Onni erzählte jedes Detail. Dann nahm er der Chinesin den Kaffee aus der Hand.
    Mosca dachte immer noch an Jo.
    Er überwältigte ihn, er warf ihn zur Seite, beugte sich über ihn und küsste ihn. Er erinnerte sich an diese Küsse. Und wie sie aufhörten vor einem Jahr. Wie sie nicht mehr da waren von heute auf morgen. Wie die vertraute Zunge tot am Boden lag neben der Leiter unter dem blauen Bild.
    Onni schob Mosca den Zucker hin.
    Mosca spürte die blaue Farbe in seinem Gesicht.
    Die Kellnerin hieß Ming.
    Das war gestern kurz nach halb zehn.

10.
    Ben ging zur Tür.
    Es hatte lange geklopft. Laut kam es in den Wohnraum. Jemand klopfte mit der Faust an die Tür, kraftvoll. Es war laut, fast unerträglich, Ben wollte, dass es aufhört. Er lag auf seinem Sofa und starrte in den Fernseher, er konnte nicht schlafen, er war aufgestanden, hatte sich vor den Fernseher gesetzt und war von Kanal zu Kanal gesprungen. Er verfolgte den Wetterbericht, als es zum ersten Mal klopfte. Wer ist das mitten in der Nacht, warum läutet er nicht, warum muss er klopfen. Er sprang vom Sofa auf und drehte sich um zur Tür. Wieder klopfte es. Eine aufdringliche Hand schlug an die Holztür. Immer wieder. Ben fluchte. Er konnte sich nicht vorstellen, wer zu dieser Zeit zu ihm kommen sollte. Er ging zur Tür. Er konnte öffnen oder das Klopfen weiterhin ertragen. Es hörte nicht auf.
    Mit jedem Klopfen wurde er unsicherer. Die Wut ging langsam weg und machte der Angst Platz. Das Klopfen klang bedrohlich, es kam immer im selben Rhythmus, es war fordernd, es war durchdringend, es passte nicht in Bens Nacht. Er wollte, dass es aufhört.
    Er stand an der Tür und versuchte, ein anderes Geräusch als das Klopfen auszumachen, aber da war nichts sonst. Nur das Klopfen, nur diese Hand, die immer wieder gegen das Holz schlug. Er überlegte, wer etwas wollen könnte von ihm, wem er Geld schuldete, wer ihm etwas antun wollen könnte, aber es fiel ihm keiner ein. Er hatte keine Feinde. Keiner, den er kannte, wäre in der Nacht vor seine Türe gekommen, um lange und laut zu klopfen. Ben beschloss anzugreifen. Er war fünf Minuten an der Tür gestanden und hatte das Klopfen ertragen, dann war er so weit. Er würde die Tür aufreißen und dieses Arschloch fertigmachen, er würde ihn anschreien, er würde die Tür öffnen und ihn in die Flucht schreien. Sein Herz war laut. Er riss die Tür auf.
    Was er sah, erschütterte ihn. Er konnte nichts sagen, nicht schreien, sich nicht bewegen, sich nicht wehren. Mit einem kräftigen Schwung riss er die Tür auf. Er machte einen Schritt nach vorn und schaute in die Mündung eines Maschinengewehrs. Es war der kleine Chinese in Uniform aus seinem Traum. Breitbeinig stand er da mit der Waffe in der Hand. Sein Gesicht war kalt und unbewegt. Er zielte auf den erstarrten Ben, eine Zigarette klemmte zwischen den Lippen, der Rauch kroch an seiner Nase vorbei nach oben, an den kleinen Schlitzen entlang über seine Stirn in das dunkle Stiegenhaus hinauf. Bens Mund war offen.
    Mir haut keiner ab, mir läuft keiner weg. Du warst noch nicht fertig, jetzt bezahlst du dafür.
    Ben schloss seine Augen und öffnete sie wieder, er schüttelte kurz seinen Kopf. Das konnte nicht sein, es war doch nur ein Traum, diesen Chinesen gab es doch nur in seiner Fantasie. Er hasste diesen Traum, diesen Elefanten, der ihn beinahe erschlagen hätte, dieses Grinsen in dem chinesischen Gesicht.
    Das konnte nicht sein, und trotzdem stand er da vor seiner Tür mit dem Gewehr in der Hand. Der Lauf berührte seine Brust. Der Chinese drängte ihn nach hinten, durch den kleinen Gang in den Wohnraum. Ben stolperte rückwärts. Seine Augen auf das bedrohliche Metall gerichtet. Er konnte sich nicht fassen, er fühlte sich wie erstarrt, seine Hände hingen tatenlos an seinen

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