Nur Blau - Roman
einer Autobahnraststation sagte ihnen, dass das Bild, das er Stunden zuvor aus dem Müll geholt hatte, echt sein musste, ein Original eines berühmten französischen Malers, dessen Werke in weltberühmten Museen hingen und wahrscheinlich unbezahlbar waren.
Sind Sie sicher, fragte er, sind Sie sich ganz sicher.
Er schaute sie eindringlich an, er wollte, dass sie ja sagte, er wollte, dass sie sich sicher war, dass sie keinen Zweifel hatte, dass sie ihm sagte, dass es hundertprozentig echt war.
Sind Sie sich sicher.
Er nahm Hertas Hand fest in seine und fragte wieder.
Das kann nicht sein, hörte er die Italienerin wieder sagen, das kann nicht sein, aber lasst uns bezahlen und kommt mit hinaus in meinen Bus. Ich muss euch etwas zeigen. Dann stand sie auf und schrie nach der Kellnerin.
Das war gestern eine halbe Stunde vor Mitternacht.
12.
Ming brachte Milch an den Tisch.
Onni schwieg jetzt. Er hatte Tränen in den Augen. Einen kurzen Moment lang. Mosca bedankte sich für die Milch und betrachtete Ming, wie sie begann, Stühle auf die Nachbartische zu stellen.
Wir schließen in zehn Minuten, hörte er sie sagen.
Er schaute in Onnis Gesicht und sah, wie er sich Tränen wegwischte, er sah, wie der alte Türke hinter der Bar die Kellnerin beobachtete, er hörte, wie er brüllte, sie solle nicht einschlafen. Er sah, wie sich Onni den Rest vom Weinen in seine Hose wischte. Er sah, wie die Milch in seiner Kaffeetasse kaputt war, wie sie sich zu Klumpen formte. Er sah, wie sich die Klumpen strudelförmig drehten, wie der Kaffeelöffel auf der Untertasse lag. Er spürte Onnis Bein neben sich, wie es auf und ab wippte. Er sah, wie der Türke Geld zählte an der Kasse. Er schob die Kaffeetasse von sich und legte seine linke Hand auf Onnis Schulter.
Ich helfe dir, sagte er.
Ming begann, den Fußboden zu wischen.
Sie war seit acht Monaten in Frankfurt. Als sie zwölf gewesen war, hatte sie zugeschaut, wie ihre neugeborene Schwester mit großen Steinen in einen Sack gekommen und im Bach hinter der Hütte, wo sie aufgewachsen war, ersäuft worden war. Sie hatten den Sack mit dem schreienden Kind ins Wasser geworfen. Der Sack hatte das Wasser berührt, ist untergegangen und still gewesen. Da, wo sie herkam, waren Mädchen nichts wert. Der Sack war plötzlich still gewesen.
Ming ist mit den anderen zurück zur Hütte und hatte sich gewünscht zu sterben oder einfach nur weit weg zu leben von diesem Bach, von der Hütte und dem Mann, der den Strick um den Sack gebunden hatte. Von der Frau, die blutig in der Hütte gelegen war und nichts gesagt hatte. Ming war jetzt in Deutschland. Im Westen, wo jeder alles hat. Angekommen vor acht Monaten. Hier waren Frauen etwas wert. Sie kamen nicht in einen Sack und wurden ersäuft. Vielleicht wurden sie geschlagen oder vergewaltigt, aber keine kam in einen Sack. Hier wollte sie leben.
Egal, ob der Türke ein Arschloch war.
Er kam zu ihr hin und schob sein Gesicht ganz nah an ihr Ohr. Seine Stimme war eine Drohung.
Wenn du mich noch einmal bestiehlst, schneide ich dir einen Finger ab.
Er hielt sie fest am Handgelenk. Mit der einen Hand die Stielbürste, mit der anderen die kleine chinesische Hand.
Verstehst du das, fauchte er.
Natürlich, sagte sie. Dann ließ er sie wieder los.
Moscas Hand auf Onnis Schulter.
Ming wischte weiter den Boden.
Ihre Eltern waren Reisbauern. Sie waren arm in der Provinz Sichuan. Dort wurde sie verprügelt, verhungerte fast. Aber sie war klug, das hat sie gerettet. Sie bekam ein Stipendium von fünftausend Yuan im Jahr und die Universität erließ ihr die Hälfte der Studiengebühren. Sie ging nach Peking. Zurück in die Hütte wollte sie nie wieder. Sie war achtzehn in einem zwölf Quadratmeter großen Zimmer mit vier anderen Mädchen und studierte Germanistik. Sie bekam Punkte für Reinlichkeit. Im Gang hing die Wäsche zum Trocknen von der Decke.
Ming wischte. und Mosca zog etwas aus seiner Jackentasche.
Er beugte sich zu Onni hinüber. Sie konnte nicht sehen, was es war, aber wie sich der elegante Deutsche bewegte war merkwürdig, er tat geheimnisvoll. Ming wischte in Richtung des Tisches.
Sie sah das Scheckheft, sie sah, wie der Deutsche unterschrieb und wie der Dünne mit dem Akzent die Hände vor sein Gesicht schlug, so, als könnte er nicht glauben, was er hörte, was der Deutsche ihm sagte.
Ming hatte ihre Hände auch vor ihr Gesicht geschlagen, als sie die Nachricht bekommen hatte, dass sie nach dem Examen weiterstudieren und den
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