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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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Magister machen, dass sie ein Jahr nach Deutschland gehen dürfe. Sie konnte es zuerst nicht glauben. Sie wollte immer schon weg aus China, weg von dem Reis, weit weg. Sie bekam dieses Auslandsstipendium. Wie sehr sie sich gefreut hatte. Sie wollte nach Deutschland und sie wollte nie wieder zurück. Sie konnte diese fremde Sprache fast fließend, sie hatte Hesse gelesen und Mann, tausende Seiten Deutschland. Sie würde in diesem Land leben, im Westen, nichts sollte sie daran erinnern, wo sie herkam. Sie wollte auf China scheißen. Und das hat sie getan.
    Onni nahm Mosca den Scheck aus der Hand.
    Er sagte lange nichts. Nur Tränen kamen aus seinen Augen. Mosca hatte seine Hand auf Onnis Schulter. Ming wischte um den Tisch herum. Sie sah den eingesetzten Betrag auf dem Scheck, sie sah die Tränen von dem Dünnen und wie er sie einfach rinnen ließ, ohne etwas dagegen zu tun.
    Sie hat nicht geweint.
    Ihren Eltern hat sie nur einen Brief geschrieben, dass sie weggehe nach Europa, und dass sie in diesem Leben nicht wieder zurückkommen würde. Sie stand in der Flughafenhalle und starrte auf die Anzeigetafel, auf die Namen der Städte, die da aufleuchteten. Einer klang schöner als der andere. Frankfurt war nur der Anfang. Es gab noch so viele andere. Sie starrte auf die Tafel und lachte. Sie war allein, aber sie war glücklich. Sie würde aus ihrem Land fliegen, sie würde fortfliegen und nicht zurückkommen, sie würde von oben hinunter­spucken, sie würde spucken auf diese verschissene Großmacht, sie würde hinunterscheißen auf die schöne Volksrepublik. Zwanzig Minuten nach dem Start hat sie es dann getan. Sie drückte die Spülung und flog glücklich nach Deutschland.
    Onni nahm Moscas Hand und drückte sie fest.
    Er hob sie hoch und zog sie zu seinem Gesicht.
    Er drückte seine Lippen auf Moscas Haut.
    Danke, sagte er leise.
    Zweiundzwanzigtausendvierhundertfünfzig Euro, stand auf dem Scheck.
    Ist das dein Ernst, sagte Onni.
    Ja, antwortete Mosca, wir müssen nicht darüber reden.
    Onnis und Moscas Augen lagen ineinander. Still und ohne Fragen. Dann fragte Onni die Kellnerin, ob sie noch zwei Biere haben könnten. Sie wischte unmittel­bar neben ihrem Tisch den Boden, sie hatte zugehört, sie überlegte, was sie jetzt tun sollte.
    Sie lächelte freundlich und sagte, dass das Lokal jetzt leider schließe, dass ihr Chef die Kasse bereits gemacht hatte, dass es ihr Leid tue, dass sie aber einen guten Tipp hätte für die beiden Herren, dass sie heute Abend Doppelschicht hätte, hier und in der Würstchenbude vor der alten Kirche, dass dort ein Wahnsinnsclubbing stattfinde in dieser Nacht, und dass es keinen Ort in ganz Frankfurt gäbe, der so magisch wäre wie dieser.
    Das Wort magisch hatte ihr immer schon gefallen.
    Onni gefiel es auch. Lass uns dorthin gehen, Mosca, schlafen kannst du auch morgen noch. Flieg mit mir, mein Retter. Ich bezahle, Geld habe ich ja jetzt.
    Mosca lächelte. Seine Gedanken waren immer noch unruhig, er wollte nach Hause zu Jos Bildern, er wollte hier sitzen bleiben, sich nicht bewegen, er wollte weitertrinken, er wollte vor Jos Bildern sitzen, er wollte wissen, warum die Chinesin so kurze Haare hatte, warum sie sie abgeschnitten, ihren Kopf fast kahl rasiert hatte, er wollte weiter mit Onni zusammen sein, er mochte diesen Dänen, er mochte zurück unter Jos Haut kriechen, er wollte mit ihm frühstücken, mit ihm nackt am Frühstückstisch sitzen und über etwas lachen, das nicht wichtig war, er wollte, dass Onnis Muskeln wieder funktionierten, er wollte fliegen, er wollte schweben, er wollte in die Leere eintauchen, er wollte nicht mehr denken, er wollte keine Gedanken mehr haben, er wollte das Blau spüren, so wie Jo es gespürt hatte.
    Er wollte es endlich spüren.
    Er schaute Ming an.
    Ihr kurzgeschorenes Haar, ihr schönes Gesicht, ihre verborgenen Augen.
    Können Sie uns hinbringen, sagte er. Wir nehmen ein Taxi, falls Sie kein Auto haben.
    Gerne, sagte sie. Ich wische den Boden zu Ende, dann können wir los.
    Onni hielt den Scheck fest in seiner Hand.
    Mosca schaute Ming zu, wie sie zu Ende wischte, wie sie kurz mit dem alten Türken redete und in einem roten Mantel auf sie zukam.
    Ich habe ein Auto, sagte sie. Kommen Sie.
    Mosca und Onni gingen neben Ming durch das Flughafengebäude zu einem kleinen, kaputten Auto. Keiner sagte etwas. Ming dachte daran, wie sie hier angekommen war vor acht Monaten, wie sie sich in diese türkische Bar gesetzt hatte und dort geblieben war. Nur

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