Nur Blau - Roman
einmal diese Bilder sehen. Alles, was dieser verrückte Franzose gemalt hat. Olivier hörte auf, an seiner Suppe herumzuessen, er sah zu Herta hinüber, die die ganze Zeit schon versuchte, seine Aufmerksamkeit zu wecken. Sie lächelte, sie blinzelte ihm zu mit diesen diebischen Augen.
Erzählen Sie uns davon, bat sie.
Dann hörte sie zu. Olivier auch.
Ihr Bruder hatte den Franzosen nach Italien geholt.
Es war die erste Ausstellung mit Kleins monochromen Bildern überhaupt. So etwas hatte man noch nicht gesehen in Mailand, sie waren begeistert und entsetzt zugleich.
Sie müssen sich das vorstellen. Dieser Mann hat elf Bilder in unsere Galerie gehängt und alle Bilder waren gleich. Nur blau. Elf fast idente Bilder, ohne Muster, ohne Linien, ohne etwas, das geholfen hätte, die Bilder zu verstehen. Es war nur Farbe, blaue Farbe. Pigmente auf Leinwand.
Das hatte es noch nicht gegeben.
Herta und Olivier unterbrachen sie nicht. Mirella erzählte, ihre Augen waren voller Freude, sie genoss es, darüber zu sprechen. Olivier schob die Suppentasse zur Tischmitte und lehnte sich weit nach vorn, hinüber zu Herta, ganz nah zu dem italienischen Mund. Er konnte nicht glauben, dass diese Frau von dem französischen Maler sprach, dass sie ihn gekannt hatte, dass sie von diesen blauen Bildern sprach, dass vielleicht eines davon unter dem Tisch stand. Dass sie ihnen vielleicht sagen könnte, ob es echt war. Er hing an ihren Lippen und seine linke Hand berührte Hertas Schenkel unter dem Tisch. Hertas Hand legte sich auf seine und drückte sie.
Sie haben ihn kennen gelernt, fragte sie. Erzählen Sie.
Die Italienerin erzählte. Er war arrogant. Ein Franzose. Aber er war liebenswürdig und er war elegant. Alles, was man ihnen nachsagt, den Franzosen. Er war anders als die italienischen Männer. Er war verrückt irgendwie, er wollte elf verschiedene Preise für elf idente Bilder. Er sagte, jedes Bild sei anders. Da hingen elf Bilder, die sich kaum voneinander unterschieden, und eines war teurer als das andere. Er war ein Spieler. Er hat sie schockiert. Er hat mit ihnen gespielt. Aber er wollte, dass sie ihn verstehen. Er hat daran geglaubt, an sein Blau. Und er war schön.
Und seine Bilder. Sie waren schöner als alles, was ich vorher gesehen hatte. Bis heute. Ich bin Stunden in der Galerie gestanden, vor den Bildern. Einen Monat lang. Ich habe in die entsetzten und in die begeisterten Gesichter geschaut, die vor den Bildern waren. Ich bin von Bild zu Bild gegangen jeden Tag, und jedes war anders. Es war wirklich so. Es war ein Raum voll von diesem Blau. Und er hatte Erfolg damit. Zum ersten Mal. In Italien hat es angefangen. Und er war überglücklich. Sie haben die Bilder gekauft zu seinen Preisen. Er ist dagestanden und hat den Käufern gratuliert.
Eigentlich gratulierte er sich selbst. Er war stolz, er hatte begonnen, die Welt blau zu färben. Sie hatten ihn ernst genommen. Sie hatten ihm geglaubt, dem verrückten Franzosen. Wie er dastand, den Rotwein in der Hand, wie er nippte und von den französischen Weinen schwärmte, wie er das Glas abstellte und eines seiner Bilder berührte, wie er versuchte, die Farbe zu erklären, wie er strahlte und es ihm vollkommen egal war, welcher Wein im Glas war.
Herta und Olivier schauten sich an.
Die italienische Dame leerte sich den Rest des Rotweins aus der kleinen Flasche in ihr Glas.
Ich will auch Wein, Olivier. Jetzt. Wir können im Auto schlafen und dann morgen weiterfahren.
Möchten Sie auch noch Wein, Signora. Herta lächelte verschwörerisch.
Ja, meine Liebe, ich habe mein Bett mitgebracht, ich habe einen großen Campingbus draußen auf dem Parkplatz, ich fahre keinen Meter mehr in dieser Nacht. Sie nahm ihr Glas und trank einen langen Schluck Rotwein. Dann lächelte sie, direkt in Hertas Gesicht hinein. Eine Zeitlang blieb ihr Blick so. Und Herta genoss ihn. Sie berührte mit ihrer rechten Hand das Bild. Sie würden ihre Gläser voll machen, dann würden sie von dem Bild erzählen, das unter dem Tisch stand. Olivier dachte dasselbe. Er stand auf, um den Wein zu holen, und sah Hertas Hand auf dem Bild. Der elegante Franzose hatte das Bild gemalt und keine Hausfrau aus Schwabing. Irgendwie war es in den Müll gekommen, und er sollte es finden. Es gab keine andere Möglichkeit.
Er kaufte eine Flasche Wein und ging zurück zum Tisch. An diesem Abend hörte er auf, an den Zufall zu glauben. Sie füllten die Gläser und tranken. Zum ersten Mal war Olivier froh, dass Herta
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