Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
nach ihm zu suchen. Ich fuhr eine Weile herum, aber ohne Erfolg. Auf der Skånegatan kam plötzlich ein Mädchen auf mich zugelaufen, sie winkte und fuchtelte mit den Armen, und als ich anhielt, begann sie an die Tür zu hämmern. Sie riss die Tür auf und setzte sich auf den Beifahrersitz, und ich fragte sie, was sie wollte. Sie wollte ein Stück mitfahren, hatte es eilig, nach Hause zu kommen, sagte sie. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie möglichst schnell wegkommen wollte. Voll war sie auch, wie eine Strandhaubitze. ›Was bekomme ich dafür?‹, fragte ich. Ich wollte sie ein bisschen ärgern, sie war schließlich einfach in den Wagen gestiegen, ohne dass sie die Erlaubnis dazu hatte. ›Ich zeig dir meine Fotze, du alter Sack. Hauptsache, du fährst jetzt!‹, schrie sie.«
Göran Andersson verstummte und angelte in seiner Schachtel nach einer weiteren Zigarette.
»Und Sie haben es zugelassen«, ergänzte Sjöberg.
»Sie hat es einfach gemacht. Sobald ich losgefahren bin, zog sie die Knie hoch und machte die Beine breit. Sie trug so einen ultrakurzen Rock und hatte nichts drunter an.«
»Und das war also Jennifer Johansson oder ihre Schwester Elise?«
»Ich glaube inzwischen, dass es Elise war, auch wenn ich mir immer noch nicht sicher bin. Dieses Mädchen im Auto und das von der Bar am Abend darauf sahen verdammt gleich für mich aus und trugen sogar dieselben Klamotten.«
»Einen ultrakurzen Rock?«
»Nein, das war so eine verdammte Lederjacke mit Taschen und Knöpfen und Kinkerlitzchen. Und gleich schlampig sahen sie auch aus.«
»Worüber haben Sie mit Jennifer an der Bar gesprochen?«
»Ich habe sie gefragt, ob sie schon wieder voll ist. Sie hat mich angeguckt wie ein Fragezeichen und schien mich nicht wiederzuerkennen. Ich habe ihr gesagt, dass sie mit diesen Hurennummern nicht weiterkommt, aber sie starrte mich nur ganz ahnungslos an. Deswegen glaube ich jetzt auch, dass nicht sie das Mädchen im Auto war, sondern die andere. Denn die sah nämlich zu Tode erschrocken aus, als sie mich gesehen hatte.«
»Und was ist danach passiert? An der Bar, meine ich.«
»Irgendein Typ, der sie kannte, ist vorbeigekommen und hat sie mitgenommen.«
»Und Sie?«
»Ich habe die Bar verlassen.«
»Sind Sie ihr danach noch einmal begegnet?«, fragte Sjöberg.
»Nein, ich habe sie nicht mehr gesehen. Und umgebracht habe ich sie auch nicht«, fügte Göran Andersson hinzu. »Warum zum Teufel hätte ich das tun sollen?«
»Sie haben ja bislang auch ganz munter drauflosgelogen«, bemerkte Sjöberg spitz.
»Ja, verdammt noch mal! Als mir klar wurde, wer da ermordet worden war und dass uns jemand zusammen gesehen haben könnte … Ich wollte schließlich niemanden einladen, mich zu verdächtigen.«
»Unschuldige Menschen sagen der Polizei in der Regel die Wahrheit«, sagte Sjöberg und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich muss Sie bitten, morgen in die Wache zu kommen. Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke, Material zur DNA -Analyse und so weiter.«
»Ich muss doch arbeiten …«
»Das muss ich auch«, beendete Sjöberg das Gespräch.
*
Ein paar Meter weiter, und doch Lichtjahre entfernt, in einer anderen Welt, ihrer eigenen Welt, lag Kerstin und versuchte zu verstehen, worüber sie sich unterhielten. Den Fernseher an der Wandhalterung hatte sie ausnahmsweise abgeschaltet, denn sie hatte die Stimme wiedererkannt. Sie hatte die Stimme des Polizisten mit den freundlichen Augen wiedererkannt, der sich mit ihr wie mit einem denkenden Menschen unterhalten hatte, der ihn verstehen konnte. Er war aufgeregt gewesen, hatte die Stimme erhoben, aber er hatte mit ihr gesprochen und nicht über sie. Er wollte das Sozialamt informieren, hatte er gesagt, sie von hier wegholen. Worüber sprachen sie da draußen? Sie war jetzt dazu bereit, hatte das Gefühl, dass das Leben doch mehr zu bieten hatte. Göran war für sie erledigt. Es hatte seine Zeit gebraucht, aber jetzt existierte er nicht mehr für sie. Sie existierte nicht mehr für ihn. In den vergangenen Jahren war sie ihm nur ein paarmal begegnet.
Kerstin war einmal schön gewesen. Sie hatte sich für Mode interessiert und auf ihr Äußeres geachtet. Sie hatte in einer der feinen Herrenboutiquen im Kaufhaus NK gearbeitet. Göran konnte nicht ertragen, dass sie den ganzen Tag dort verbrachte, umgeben von Männern. Deshalb kehrte sie nie wieder zu ihrer Arbeit zurück, nachdem Joakim geboren worden war. Er liebte es, sie zu besitzen, sie vorzuzeigen. Aber wenn
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