Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
seine Sorge in Zorn verwandelte, und wusste, dass es jetzt vorbei war. Endgültig vorbei.
*
Jennifer versuchte sich einzureden, dass es das Abenteuer war, nach dem sie gesucht hatte. Aber im Grunde war ihr klar, dass es auch um etwas anderes ging, Aufmerksamkeit, nicht nur von Jockes Seite, nicht nur von ihrer alten, gewohnten Welt voller Verlierer. In diesem Augenblick fühlte es sich richtig an. Und morgen würde es sich auch noch richtig anfühlen. Ihre Gedanken streiften kurz den armen Jocke, aber was soll’s, er ist ein erwachsener Mensch, er musste sie nehmen, wie sie war, oder es sein lassen. Sie war ihres eigenen Glückes Schmied. Jocke musste sich um sein Glück schon selber kümmern.
Sie fühlte sich angenehm dösig. Jetzt galt es, diesen Rausch möglichst lange am Leben zu erhalten. Nicht betrunkener zu werden, aber auch nicht nüchterner.
»Reist du alleine?«, fragte der dunklere und schmächtigere der beiden Männer.
Sie sprachen beide so ein herrliches Finnlandschwedisch, und obwohl sie wie Mumintroll klangen, fand sie, dass der Dialekt ihre maskuline Ausstrahlung nur noch verstärkte.
»Nein, ich bin mit ein paar Kumpels unterwegs. Ich habe gerade nur die Nase voll von ihnen«, antwortete Jennifer entschuldigend. »Sie sind so … unreif.«
»So was Dummes, da müssen wir dich wohl ein wenig aufmuntern. Wir sind sehr reif«, sagte der andere und lachte. »Wie heißt du?«
»Jennifer.«
»Ich heiße Erik«, sagte der kräftigere der beiden, »und das ist Henrik. Wir waren beruflich in Stockholm. Was trinkst du?«
»Tequila Sunrise«, sagte sie und dachte, dass es glamourös klang.
»Na, so was. Eine sehr reife Wahl«, grinste der, der sich Erik genannt hatte, stand auf und ging zur Bar.
Jennifer spürte, wie sie rot wurde, warf einen Blick auf die Uhr über der Theke, als wollte sie die Aufmerksamkeit von sich ablenken.
»Wie alt bist du?«, wollte Henrik wissen und legte die Hand auf ihre Schulter.
»Bald siebzehn. Und wie alt seid ihr?«
»Was glaubst du«, erwiderte er neckisch. »Wir sind zwei Männer in den besten Jahren.«
»Dreiundvierzig«, schätzte sie, und Henrik nickte respektvoll.
»Nicht schlecht, gar nicht schlecht. Wenn man so alt ist wie wir, weißt du, da möchte man nicht mehr über sein Alter reden. Hast du einen Freund?«
Er legte die Papiere zusammen, in denen sie geblättert hatten, bevor sie sie vor dem unangenehmen Typen gerettet hatten, und steckte sie in eine Aktentasche, die neben ihm auf dem Sofa lag.
»Tja, was soll ich dazu sagen. Manchmal ja, manchmal aber auch nicht.«
Damit gab sich Henrik nicht zufrieden, und er hakte nach:
»Und im Augenblick?«
Nach kurzem Überlegen antwortete sie mit einer Halbwahrheit.
»Nein, eigentlich nicht. Er glaubt es vielleicht noch, aber ich bin jedenfalls nicht mehr mit ihm zusammen.«
Na, dann war es eben so. Irgendwie erschreckte sie das alles ein bisschen, aber jetzt war es gesagt. Wenn sie es erst einmal formuliert hatte und die Worte ausgesprochen waren, dann wurde es zur Wahrheit. Aber Henrik gab nicht nach.
»Ist er denn mit auf dem Boot, der arme Kerl?«
Und in diesem Moment log Jennifer. In diesem Moment wollte sie nicht mehr daran denken und erst recht nicht mehr darüber reden.
»Nein, verdammt«, sagte sie. »Glaubst du etwa, ich nehme ihn auf so eine Reise mit?«
Erik kam zurück. Er stellte zwei große Bier und einen rot-gelben Drink, der mit ein paar hübsch auf einen Zahnstocher gereihten Apfelsinenscheiben und einem Stück Kiwi dekoriert war, mitten auf den Tisch. Henrik verteilte die Getränke und streckte sein eigenes Glas Jennifer entgegen.
»Dann ein Prost auf die Freiheit«, sagte er und zwinkerte ihr zu.
Erik schloss sich an, und Jennifer antwortete mit einem Lächeln. Der Drink war nicht so stark, wie sie gehofft hatte, und sie hatte ihn schnell geleert.
»Beim Trinken macht dir aber keiner was vor«, bemerkte Erik amüsiert.
»Das war doch nur Saft. Sie waren ein bisschen geizig mit dem Schnaps, finde ich. Ich gehe mir lieber ein Bier holen, da weiß man, was man hat.«
»Nein, nein, lass nur, wir laden dich ein«, sagte Henrik. »Weißt du was, lass uns doch einfach in unserer Kabine weitermachen, da haben wir wenigstens anständige Getränke. Oder was meinst du, Erik?«
Erik stimmte zu, und die beiden Männer leerten ihre Biergläser, bevor alle drei die Bar verließen und zu den Aufzügen gingen.
Ihre Kabine lag weiter oben als Jennifers, aber immer noch nicht hoch genug, um
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