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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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wollte. Obwohl er sich eigentlich vorgenommen hatte, ihr sofort und überallhin zu folgen, blieb er aus Höflichkeit sitzen, bis sich das Gespräch im Kreis zu drehen begann. Er verdrückte sich in die andere Kabine und ließ seinen Blick über Jennifers mittlerweile ordentlich betrunkene Freundesschar wandern. Sie hatten Gesellschaft von zwei Typen bekommen, die etwa in seinem Alter waren und zur allgemeinen Belustigung finnische Sauflieder grölten. Jennifer war nicht zu sehen. Er öffnete die Tür zur Toilette, aber auch dort war sie nicht. Er kehrte in die erste Kabine zurück, aber auch dort war die Toilette leer.
    »Wo ist Jennifer denn hin?«, rief er zu Malin hinüber, die mit einem Schulterzucken antwortete.
    Auch Fanny hatte keine Ahnung, also ging er zu ihrer eigenen Kabine und zog an der Tür, aber die war abgeschlossen, und niemand reagierte auf sein Klopfen.
    Plötzlich war der Reiz verschwunden, mit einem Haufen fremder, betrunkener Teenager zusammenzusitzen und zu saufen, und er verließ unbemerkt das Fest, um sich auf die Suche nach Jennifer zu machen. Er streifte durch lange Korridore mit Türen zu beiden Seiten und gelangte in ein Treppenhaus und von dort auf ein Deck, auf dem es etwas mehr als nur Kabinen gab. Systematisch durchsuchte er alle Läden, Restaurants, Bars, Tanzlokale und Spielhallen, aber er konnte sie nirgendwo entdecken. Ein Anflug von Kopfschmerzen machte sich bei ihm bemerkbar, und er unterbrach die Suche für eine Weile, um sich mit einem Glas Bier an eines der Fenster im oberen Tanzlokal zu setzen.
    *
    Plötzlich hatte sie einfach zu viel bekommen. Sie waren alle so kindisch, besonders die Jungen mit ihrem pathetischen Teenagergegröle. Aber die giggelnden und kreischenden Mädchen waren auch nicht viel besser. Jocke war natürlich anders, aber als sie sich heute Morgen getroffen hatten, war irgendetwas anders gewesen. Irgendetwas hatte nicht gestimmt, es hatte sich nicht mehr gut angefühlt. Er hätte nicht so ungebeten dort warten dürfen, hätte sie nicht mit diesem Blick ansehen sollen, den sie sonst eigentlich so gemocht hatte. Schmachtend. Wie ein Hund. Das Gefühl war einfach verschwunden, sie war es leid geworden. Ihr fiel bloß nicht ein, wie sie es zu einem Ende bringen konnte, was sie sagen sollte.
    Sie war eine Weile planlos umhergestreift und hatte ihren Gedanken nachgehangen. Jetzt befand sie sich auf dem obersten Deck. Es war halb zehn, und bislang hatten sich erst wenige Leute in den großen Tanzsaal verirrt, aber bald, wenn alle zu Abend gegessen hatten, würden sie wahrscheinlich hereinströmen. Hier und da saß die eine oder andere Gesellschaft im großen Salon, vor allem an den Fenstertischen. An der langen Theke saß eine weitere Gruppe.
    Sie drückte sich mit einem Fuß an der Trittstange ab und hievte sich auf einen der hohen Barhocker ganz am Anfang der halbmondförmigen Theke. Der Barkeeper stand ein Stück entfernt und drehte Gläser um, schien sie nicht bemerkt zu haben. Schmierige Schlagermusik verhallte in dem halbleeren Lokal, und sie überlegte, was sie sich bestellen sollte, als ein älterer Mann sich auf den Barhocker neben ihr setzte. Instinktiv drehte sie sich zu ihm um, aber er nahm keine Notiz von ihr, sondern studierte die Flaschen, die in den Regalen hinter der Theke aufgestellt waren. Er sah ungepflegt, fast sogar heruntergekommen aus. Ein ungebügeltes, weißes Hemd, ungewaschene Haare, die über die Ohren fielen, und er schien sich seit Tagen nicht mehr rasiert zu haben. Jennifer konnte beobachten, wie er immer wieder den Kiefer anspannte.
    »Was trinkst du?«, fragte er plötzlich, immer noch ohne sie anzuschauen.
    Er klang beinahe unfreundlich, und ein Gefühl des Unbehagens machte sich in ihr breit.
    »Nichts«, antwortete Jennifer und machte Anstalten zu gehen.
    »Und was machst du dann an der Bar?«, fuhr er fort.
    »Ich wollte eigentlich ein Bier bestellen, aber …«
    »Zwei Bier!«, rief er dem Barkeeper zu, der die Bestellung mit einem Nicken quittierte.
    »Aber ich will nicht, …«
    »Ich verstehe«, unterbrach sie der Mann erneut, »aber es kommt nicht immer alles so, wie man es sich gedacht hat, oder?«
    Er wandte sich ihr zum ersten Mal zu und ließ seinen Blick ungeniert über ihren Körper wandern. Ihr Gesicht schien ihn kaum zu interessieren. Seine Augen waren eher klein und machten einen gehetzten Eindruck. Sie hatte keine Lust, mit diesem Mann zu sprechen, aber sie musste es wohl aushalten, bis das Bier ausgetrunken

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