Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
Vom Netzwerk:
Ahnung, wie ihr Alltag aussah. Sie ging in die Schule, so viel hatte sie ihm erzählt, aber das schien sie nicht davon abzuhalten, sich mitten am Tag mit ihm zu treffen, wenn sie Lust darauf bekam. Hatte sie Hobbys, trieb sie Sport, was machte sie, wenn sie nicht in der Schule und nicht mit ihm zusammen war? Während er dasaß und über ihre Beziehung nachgrübelte – oder wie immer man es nennen sollte –, erschien sie ihm wie ein weißes Blatt Papier. Er hatte keine Ahnung, wer sie war oder wie sie die Welt sah. Allerdings wusste sie auch nicht besonders viel von ihm.
    Sie hatten sich knapp einen Monat zuvor kennengelernt, im August, als es noch sonnig und warm war. Sie waren einander auf der Götgatan begegnet, vor dem Haus in Ringen, in dem sie wohnte. Jennifer kam vom Einkaufen zurück. Genau in dem Moment, als sie auf dem Bürgersteig aneinander vorbeigingen, war der Boden ihrer Einkaufstüte gerissen, und er hatte ihr geholfen, die Sachen wieder einzusammeln, und war in den gegenüberliegenden 7-Eleven-Laden gelaufen, um ihr eine neue Tüte zu kaufen.
    Ganz unbeeindruckt von allen neugierigen Blicken hatte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf Jocke gerichtet. Ihm war aufgefallen, dass sie auf eine besondere Weise mit dem ganzen Gesicht lachte, nicht nur mit dem Mund, und ihre Augen hatten ihn angestrahlt, dass ihm ganz weich in den Knien wurde.
    Ein paar Tage später waren sie sich bei McDonald’s über den Weg gelaufen, wo sie allein an ihrem jeweiligen Tisch saßen und aßen. Jennifer hatte ihn gesehen und gefragt, ob sie sich mit ihrem Tablett zu ihm an den Tisch setzen dürfe. Sie war damals in ihrer lausbubenhaften Laune gewesen, interessiert und gesprächig, und als sie aufgegessen hatten, hatte sie gefragt, ob sie nicht noch ein Bier in einem der Straßencafés am Medborgarplatsen trinken wollten. Ihre direkte Art traf ihn ganz unvorbereitet, und er kam mit. Sie hatten sich be trunken, und obwohl er der deutlich Ältere von ihnen war, hatte sie stets die Initiative übernommen. Jocke fühlte sich frei und ein bisschen wild in ihrer Gesellschaft. Sie stellte keine unangenehmen Fragen und stellte keine Ansprüche. Sie plapperte drauflos und schien ihn zu schätzen, so wie er war. Jennifer hatte ihn von Kneipe zu Kneipe geschleppt, und nachdem sie eine Weile an der Theke im Gröna Jägaren gehangen hatten, hatte sie ihn mit in die Toilette genommen.
    Es war ein magischer Abend gewesen, und noch einige waren seitdem dazugekommen, bevor ihr Interesse allmählich nachzulassen schien. Mittlerweile war es fast zwei Wochen her, dass sie es miteinander so schön gehabt hatten. Sie hatte mal den einen, mal den anderen Grund vorgeschoben, und manchmal – so wie gestern – hatte sie sich gar nicht gemeldet oder war einfach nicht aufgetaucht, obwohl sie verabredet waren.
    Jocke wusste weder ein noch aus, aber er fand die ganze Situation schwer erträglich. Jetzt, wo in seinem geruhsamen Leben endlich etwas Positives geschah, drohte alles zum Teufel zu gehen. Es wäre besser gewesen, wenn er weiter in der alten, gewohnten Tristesse vor sich hinvegetiert hätte – besser, als dieses Wunderbare zu verlieren.
    Er entschied sich, nach unten zu den Kabinen zurückzukehren und nachzusehen, ob sie zurückgekommen war. Er trank die letzten Tropfen und stellte sein Glas ab. Als er gerade aufstehen und gehen wollte, entdeckte er sie. Ganz hinten am anderen Ende des Tanzlokals und halb verborgen hinter dem langen, hufeisenförmigen Bartresen konnte er sie von hinten sehen. Versunken in einem Lehnstuhl und mit einem rötlichen Drink in der Hand unterhielt sie sich mit zwei älteren Typen in Anzügen.
    Jocke erstarrte in der Bewegung und blieb sitzen, wo er war. Ihm wurde ganz kalt ums Herz, als er sah, wie sie mit den beiden Fremden gestikulierte und lachte. Warum tat sie so etwas? Sie war doch mit ihm auf diese Fahrt gegangen. Was waren das für Menschen? Sie waren zudringlich. Gerade rückten sie beide etwas näher an sie heran. Einer legte seine Hand auf ihren Oberschenkel, der andere streichelte ihre Wange. Sie entzog sich nicht und schien es ganz und gar nicht als Belästigung zu empfinden. Stattdessen lachte sie immer wieder – er konnte es an ihren Schultern erkennen. Sie hielt das Glas hoch und stieß mit ihnen an. Aus den Lautsprechern klang Tanzmusik, und Jocke saß viel zu weit von ihnen entfernt, um das Klirren der Gläser oder auch nur ihre Stimmen hören zu können. Aber jetzt reichte es. Er spürte, wie sich

Weitere Kostenlose Bücher