Nur Der Tod Bringt Vergebung
Fidelma, hatten sich beide Seiten auf das griechische Wort synodos als Bezeichnung für dieses Treffen christlicher Würdenträger einigen können. Die Synode von Streoneshalh versprach, eine der wichtigsten Versammlungen in der Geschichte der Kirchen von Iona und Rom zu werden.
Schwester Fidelma nahm ihren Platz im sacrarium ein, dem größten Raum der Abtei, in dem die Debatte stattfinden sollte. Es herrschte lautes Stimmengewirr, denn alle Teilnehmer der Versammlung sprachen durcheinander. Das gewaltige sacrarium mit den hohen Steinwänden und der wuchtigen Gewölbedecke verstärkte die Geräusche durch ein dumpfes Echo. Doch trotz der Weitläufigkeit fühlte Fidelma sich seltsam beengt beim Anblick der zahllosen Menschen, die sich auf den dunklen Eichenbänken zusammendrängten. Auf der linken Seite hatten sich all jene versammelt, die den Regeln Columbans folgten, auf der rechten Seite saßen die Anhänger Roms.
Etwas weiter vorne hatten die kirchlichen Würdenträger Platz genommen. Fidelma hatte noch nie so viele von ihnen an einem Ort gesehen. Ihre prächtige Kleidung aus wertvollen Stoffen wies sie als Edelmänner aus, die aus den verschiedensten Königreichen Britanniens hier zusammengekommen waren.
«Eindrucksvoll, nicht wahr?»
Fidelma schaute auf und sah Bruder Taran, der sich auf dem freien Platz neben ihr niederließ. Innerlich stöhnte sie auf. Sie hatte gehofft, dem selbstgefälligen Bruder aus dem Weg gehen zu können. Nach der langen Reise von Iona hatte sie nun genug von seiner Gesellschaft.
«Seit der großen Versammlung in Tara im letzten Jahr habe ich keine so eindrucksvolle Zusammenkunft mehr gesehen», erwiderte sie kühl, als er sie fragte, was sie von dem Schauspiel halte. Ebenso eindrucksvoll, fügte sie im stillen hinzu, waren aber auch die üblen Gerüche, die das sacrarium trotz der vorsorglich aufgestellten Räuchergefäße durchdrangen. Um die Körperpflege der Ordensbrüder und -schwestern in Northumbrien war es traurig bestellt, dachte Fidelma tadelnd. Ganz anders war dies in Irland, wo sie täglich badeten und an jedem neunten Tag gemeinsam das tigh 'n alluis, das Schwitzhaus, besuchten. Dort brachte ein Torffeuer sie kräftig in Schweiß, ehe sie in kaltes Wasser tauchten und sich anschließend mit Tüchern warm rieben.
Wieder ertappte sie sich bei dem Gedanken an den sächsischen Mönch, den sie am Vorabend getroffen hatte. Er hatte reinlich gerochen, ja, Fidelma glaubte sogar, den schwachen Duft von Kräutern wahrgenommen zu haben. Wenigstens einer der Sachsen wußte also, wie man sich sauberhält. Fidelma rümpfte mißbilligend die Nase, während sie sich umsah und insgeheim fragte, ob sie den Mönch in den Reihen der Römer entdecken würde.
Plötzlich tauchte Schwester Gwid auf und schlüpfte auf der anderen Seite neben Fidelma in die Bank. Wie immer war ihr Gesicht gerötet, und sie keuchte atemlos, als wäre sie schnell gelaufen.
«Fast hättet Ihr die Eröffnung der Synode verpaßt», sagte Fidelma lächelnd, während das schlaksige Mädchen verlegen nach Atem rang. «Aber solltet Ihr nicht bei Äbtissin Étain sitzen und ihr als Sekretärin zur Seite stehen?»
Schwester Gwid schüttelte den Kopf.
«Sie sagte, sie würde mich rufen lassen, wenn sie mich braucht», entgegnete sie.
Fidelma sah nach vorn zur Stirnseite des sacrarium. In der Mitte stand ein Podest mit einem reichverzierten, leeren Stuhl, der auf König Oswiu zu warten schien. Die dicht dahinter stehenden, kleineren Stühle waren bereits von Männern und Frauen besetzt, deren prächtige Kleidung von Reichtum und Einfluß kündete.
Fidelma fiel ein, daß Bruder Taran sich trotz seiner Schwächen als nützlich erweisen könnte, denn vermutlich wußte er bestens über all diese Leute Bescheid. Schließlich war dies schon seine zweite Mission nach Northumbrien, und er hatte sich stets als Kenner des Landes gerühmt.
«Nichts einfacher als das», antwortete er erwartungsgemäß, als sie auf die Menschen rund um den königlichen Thron deutete und ihn um eine Erklärung bat. «Sie alle gehören zu Oswius engster Familie. Die Dame, die jetzt gerade Platz nimmt, ist die Königin.»
Fidelma betrachtete die Frau, die mit strenger Miene auf dem Stuhl neben dem Thron Haltung einnahm. Ihr Name war Eanflaed, wie Taran ihr bereitwillig mitteilte. Eanflaeds Vater war ein früherer König von Northumbrien gewesen, aber ihre Mutter war eine Prinzessin von Kent. Eanflaed war als kleines Mädchen nach Kent gebracht
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