Nur Der Tod Bringt Vergebung
und dort nach der römischen Lehre erzogen worden. Gleich hinter ihr saß ihr persönlicher Kaplan, Romanus aus Kent, der den Anordnungen Roms strikt Folge leistete und kaum einmal von ihrer Seite wich. Er war ein kleiner, dunkler Mann mit schwarzem, lockigem Haar und einem seltsam verschlagenen Gesicht. Außerdem hatte er eng zusammenstehende Augen und schmale Lippen. Gerüchten zufolge, sagte Taran, habe Eanflaed mit Romanus’ Unterstützung König Oswiu so lange zugesetzt, bis dieser sich schließlich gezwungen sah, eine Versammlung einzuberufen und eine Entscheidung zu treffen.
Eanflaed war Oswius dritte Frau, und er hatte sie kurz nach seiner Thronbesteigung vor etwa zwanzig Jahren geheiratet. Seine erste Frau war Rhiainfellt gewesen, eine Prinzessin aus Rheged, wo man den Lehren und Regeln der Kirche von Iona folgte. Nach Rhiainfellts Tod wurde Fín, Tochter von Colmán Rimid, dem Hochkönig von Irland, Oswius zweite Frau.
Fidelma war erstaunt. Von Oswius Verbindung zum Hochkönig hatte sie nichts gewußt.
«Ist Oswius zweite Frau ebenfalls gestorben?» fragte sie.
Diesmal war es Schwester Gwid, die ihr antwortete.
«Oswiu und Fín wurden geschieden», sagte sie, nicht ohne Genugtuung. «Fín erkannte immer deutlicher, wie sehr sie Northumbrien und Oswiu haßte. Oswiu und sie hatten einen Sohn namens Aldfrith, den sie mit zurück nach Irland nahm. Er wurde in dem von Comgall, dem Freund Columcilles, gegründeten Kloster in Bangor erzogen. Heute ist er ein berühmter Dichter, der unter dem Namen Flann Fína Verse in irischer Sprache verfaßt. Was den Thron von Northumbrien betrifft, hat Aldfrith auf alle Ansprüche verzichtet.»
Schwester Fidelma schüttelte den Kopf.
«Wie ich gehört habe, gibt es bei den Sachsen die unsinnige Regel, daß der erstgeborene Sohn immer auch der Erbe ist. Ist dieser Aldfrith denn der Erstgeborene?»
Schwester Gwid zuckte mit den Schultern, doch Taran zeigte auf das Podium. «Seht Ihr den jungen Mann, der gleich hinter Eanflaed sitzt, der mit den blonden Haaren und der Narbe im Gesicht?»
Fidelma sah ihn und fragte sich, warum sie sogleich eine tiefe Abneigung gegen den jungen Mann verspürte.
«Das ist Alhfrith, Oswius Sohn von Rhiainfellt, seiner ersten Frau, der jetzt als Unterkönig in der südlichen Provinz Deira regiert. Vielleicht erinnert Ihr Euch, wir haben gestern erst von ihm gesprochen. Es heißt, daß er ein Anhänger Roms ist und gegen die Verbindung seines Vaters zu Iona aufbegehrt. Er hat die Mönche, die sich zu den Lehren Columcilles bekannten, aus Ripon vertrieben und das Kloster seinem Freund Wilfrid übergeben.»
«Und Wulfric von Frihop ist seine rechte Hand», murmelte Fidelma. Alhfrith wirkte mißmutig und ungebärdig. Allein die anmaßende Art, wie er sich auf seinem Stuhl flegelte, erregte Fidelmas Widerwillen.
Die finster dreinblickende Frau neben Alhfrith war offenbar seine Frau Cyneburh, die noch immer verbitterte Tochter des Königs Penda von Mercia, der in der Schlacht von Oswiu getötet worden war. Neben ihr saß mit ebenso verdrießlichem Gesicht Alhflaed, die Schwester Alhfriths, die Peada, den Sohn Pendas von Mercia, geehelicht hatte. Er habe gehört, erklärte ihr Taran aufgeregt, daß Alhfrith für Peadas Ermordung verantwortlich sei. Kurz vor seinem Tod habe Peada zugestimmt, Oswiu den Treueeid zu schwören und Unterkönig von Mercia zu werden, aber Alhfrith habe ebenfalls ein begehrliches Auge auf das Königtum Mercia geworfen.
Neben Oswius jetziger Frau Eanflaed saß deren erstgeborener Sohn, Ecgfrith. Mit seinen achtzehn Jahren war er ein mürrischer, grüblerischer junger Mann. Seine dunklen Augen schweiften rastlos durch den Raum, und er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Taran sagte, Ecgfrith habe es sich zum Ziel gesetzt, Oswius Thron zu besteigen, und sei von Neid gegen seinen älteren Halbbruder Alhfrith erfüllt, der nach dem Gesetz Thronerbe war. Außer Alhfrith und Ecgfrith war von Oswius Kindern nur noch Aelflaed zugegen. Sie war in dem Jahr zur Welt gekommen, als Oswiu seinen großen Sieg über Penda errungen hatte. Ihre Eltern brachten sie Gott als Dankopfer dar und übergaben sie Äbtissin Hilda, die sie in Streoneshalh als eine dem Herrn geweihte Jungfrau aufziehen sollte.
Bruder Taran erzählte Fidelma, daß Oswiu zwei weitere Kinder hatte – Osthryth, eine fünf Jahre alte Tochter, und Aelfwine, einen drei Jahre alten Sohn. Diese Kinder waren aber noch zu klein, um bei der Versammlung anwesend zu
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