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Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
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erlischt, meine Brüder und Schwestern, kann das nur ein böses Omen sein. Aber was will es uns sagen? Ich kann es Euch erklären, denn die Botschaft ist ganz einfach: Wenn die Kirchenmänner und -frauen dieses Landes nicht den irrigen Vorstellungen Columbans entsagen und sich der einzigen und wahrhaftigen Kirche Roms zuwenden, wird das Christentum in diesem Land ebenso ausgelöscht werden wie die Sonne am Himmel. Gott hat uns ein Zeichen gegeben. Es liegt an uns, es zu befolgen.»
    Die Anhänger Roms applaudierten heftig, während von den Vertretern der Kirche Columbans ein Aufschrei der Empörung zu hören war.
    Mit wutverzerrtem Gesicht sprang ein junger Mann mit der Tonsur Columbans von seinem Platz auf und ergriff das Wort.
    «Woher will Wilfrid von Ripon das wissen? Hat Gott persönlich mit ihm gesprochen und ihm die Erscheinung am Himmel erklärt? Mit gleichem Recht könnten wir behaupten, das Zeichen deute darauf hin, daß Rom sich Columban anschließen soll. Denn wenn jene, die den römischen Verfälschungen des wahren Glaubens anhängen, nicht endlich einsehen, daß Columbans Lehre den einzig heilbringenden Weg zu Gott und Jesus Christus darstellt, wird das Christentum in diesem Land wahrhaftig untergehen.»
    Nun waren es die römischen Anhänger, die empört aufbegehrten.
    «Das war Cuthbert von Melrose», erklärte Taran grinsend. Der Streit schien ihm sichtlich Spaß zu machen. «Es war Wilfrid, der ihn – auf Alhfriths Geheiß – von Ripon vertrieben hat, weil er nicht bereit war, den Lehren Columbans abzuschwören.»
    Nun erhob sich König Oswiu. Sofort kehrte ehrfürchtige Stille ein.
    «Dieser Streit führt uns nicht weiter. Die Versammlung wird ausgesetzt, bis …»
    Ein schriller Schrei hinderte ihn daran, seinen Satz zu beenden.
    «Die Sonne erscheint wieder!» rief eine Stimme vom Fenster.
    Begeistert liefen einige hin, um ihre Köpfe dem blauen Nachmittagshimmel entgegenzurecken.
    «Ja, da ist sie wieder. Der schwarze Schatten entfernt sich», riefen sie. «Seht doch, da ist das Sonnenlicht.»
    Tatsächlich schwand die trübe Dämmerung, und das Sonnenlicht flutete wieder durch die Fenster.
    Schwester Fidelma schüttelte den Kopf. Das Geschehen war ihr ein Rätsel. Schließlich war sie in einem Land aufgewachsen, in dem die Bewegungen der Gestirne schon seit langem beobachtet und aufgezeichnet wurden.
    «Ich kann kaum glauben, daß die Menschen hier in solchem Unwissen leben. In unseren Barden- und Klosterschulen kann jede Lehrerin und jeder Lehrer den Lauf von Sonne und Mond erklären. Jeder halbwegs vernünftige Mensch sollte doch über den Stand der Sonne im Laufe eines Jahres, die Phasen des Mondes und die Zeiten von Ebbe und Flut Bescheid wissen. Und die Sonnenfinsternisse sind dann auch kein Geheimnis mehr.»
    Bruder Taran grinste.
    «Ihr vergeßt, daß Euer Volk für seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Astronomie berühmt ist, während die Sachsen noch Barbaren sind.»
    «Aber sie haben doch sicherlich die Abhandlungen des großen Dallán Forgaill gelesen, der erklärt hat, wie oft der Mond vor der Sonne steht und deshalb ihr Licht verdeckt?»
    Taran zuckte die Achseln.
    «Nur wenige Sachsen können lesen und schreiben. Und das auch erst, seitdem der selige Aidán ins Land kam und sie darin unterrichtete. Bis dahin konnten sie nicht einmal ihre eigene Sprache niederschreiben, geschweige denn die Sprachen anderer Völker verstehen.»
    Äbtissin Hilda schlug mit ihrem Amtsstab auf den Steinfußboden, um die Versammlung zur Ruhe zu gemahnen. Zögernd kehrten die Teilnehmer zu ihren Plätzen zurück, und das Gemurmel erstarb.
    «Das Licht ist zurückgekehrt, also können auch wir fortfahren. Weilt die Äbtissin von Kildare inzwischen unter uns?» Fidelmas Gedanken wandten sich wieder ihrer Freundin zu. Der ihr zugedachte Platz war noch immer leer.
    Hämisch grinsend erhob sich Wilfrid von Ripon.
    «Wenn die Sprecherin Columbans nicht willens ist, zu uns zu sprechen, können wir getrost auch ohne sie anfangen.»
    «Es gibt noch genügend andere, die für unsere Sache sprechen werden!» rief Cuthbert zurück und machte sich dabei nicht einmal die Mühe, von seinem Platz aufzustehen.
    Wieder klopfte Äbtissin Hilda mit ihrem Amtsstab auf den Boden.
    In diesem Augenblick schwang zum zweitenmal die große Tür auf. Diesmal war es eine junge Schwester, die kreidebleich und mit aufgerissenen Augen ins sacrarium stürzte. Auf den ersten Blick konnte man erkennen, daß sie schnell gelaufen war –

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