Nur Der Tod Bringt Vergebung
ihn unmöglich holen könne, ohne die gesamte Synode zu stören. Fidelma und Eadulf beschlossen, die Zeit damit zu überbrücken, daß sie ebenfalls ins sacrarium gingen und eine Weile dem Disput lauschten. Offenbar hatte Bischof Colmán anstelle von Äbtissin Étain mit einer kurzen, schnörkellosen Zusammenfassung der Lehren Ionas die Synode eröffnet. Wilfrid hatte auf die nüchterne Rede des Bischofs mit scharfem Spott geantwortet und sich die schlichte Geradlinigkeit seines Gegners zunutze gemacht.
Fidelma und Eadulf blieben an einer Seitentür stehen, wo ihnen die beißenden Weihrauchschwaden am wenigsten in den Augen brannten.
Als sie eintraten, hatte sich gerade ein hochgewachsener, kantiger Mann von seinem Sitz erhoben. Eine auskunftswillige Schwester zu Fidelmas Linken erklärte ihnen, daß dies der ehrwürdige Bischof Cedd sei, der zu den ersten Jüngern Aidáns zählte. Cedd sei gerade von einer Mission im Land der Ostsachsen zurückgekehrt, flüsterte ihnen die Schwester zu, und sei dazu bestimmt worden, während der Synode im Bedarfsfall vom Sächsischen ins Irische zu dolmetschen. Cedd sei der älteste von vier Brüdern, die allesamt von Aidán bekehrt worden seien und in der keltischen Kirche Northumbriens eine wichtige Rolle spielten. Chad habe seine Ausbildung in Irland erhalten und sei jetzt Bischof von Lastingham. Caelin und Cynebill, die anderen beiden Brüder, nähmen ebenfalls an der Versammlung teil.
«Was das Datum unserer Osterfeier betrifft», sagte Cedd, «herrscht große Verunsicherung. Eanflaed, unsere gute Königin, begeht sie nach den Regeln Roms, und Oswiu, unser guter König, feiert nach den Lehren Columbans. Wer hat recht, wer hat unrecht? So, wie die Dinge liegen, kann es leicht geschehen, daß der König seine Fastenzeit beendet hat und schon den Ostersabbat begeht, während die Königin und ihr Gefolge noch fasten. Mit dieser Unklarheit können sich vernünftige Menschen nicht zufrieden geben.»
«Wie wahr, wie wahr!» rief der kampfeslustige Wilfrid, ohne sich die Mühe zu machen, von seinem Platz aufzustehen. «Und sie ließe sich sofort beheben, wenn Ihr Euren Irrtum bei der Berechnung des Osterfests endlich eingesteht.»
«Eine Berechnung, die Anatolius, einer der gelehrtesten Männer unserer Kirche, ausdrücklich gebilligt hat», entgegnete Cedd. Auf seinem wettergegerbten, hageren Gesicht traten in Höhe seiner Wangenknochen zwei leuchtende, hellrosa Flecken hervor.
«Anatolius von Laodikeia? Unsinn!» Wilfrid sprang auf und breitete die Arme aus. «Ich habe keinen Zweifel daran, daß Ihr Euch Eure sogenannten kalendarischen Berechnungen erst vor zwei Jahrhunderten auf Euren einsamen Inseln ausgedacht habt. Roms Berechnungen dagegen wurden sorgfältig ausgearbeitet und gehen auf Viktorius von Aquitanien zurück.»
«Viktorius!» Ein sonnengebräunter, kaum mehr als dreißig Jahre alter Mann aus den Reihen der Anhänger Columbans schnellte von seinem Sitz. Er hatte blondes Haar, und seine Miene war äußerst angespannt. «Jedes Kind weiß, daß diese Berechnungen auf einem Irrtum beruhen.»
Die auskunftsfreudige Schwester beugte sich zu Fidelma.
«Das ist Cuthbert von Melrose. Er ist dort Prior, seitdem unser seliger Bruder Boisil gestorben ist. Cuthbert gehört zu unseren besten Rednern.»
«Auf einem Irrtum?» schnaubte Wilfrid ärgerlich. «Diesen Irrtum müßt Ihr uns erklären.»
«Wir stehen zu den Berechnungen, auf die sich die Synode von Arles geeinigt hat, und halten es mit unserem Osterfest wie die frühesten Christen», erwiderte Cuthbert. «Rom ist im Irrtum. Rom hat sich von der ursprünglichen Datierung des Osterfests entfernt, indem es die von Viktorius aufgestellten Behauptungen übernahm. Dieser Viktorius von Aquitanien hat aber nichts anderes getan, als in der Amtszeit von Papst Hilarius ein paar Veränderungen durchzusetzen. Er hat nicht einmal gründliche Berechnungen angestellt.»
«Jawohl», pflichtete ihm Äbtissin Abbe von Coldingham, Oswius Schwester, bei. «Und hat Dionysius Exiguus während des Pontifikats Felix’ III. nicht noch weitere Veränderungen eingeführt? Die ursprünglichen Regeln für die Bestimmung des Osterfests, über die in Arles völlige Übereinstimmung herrschte, sind in den letzten dreihundert Jahren von Rom mehrfach abgewandelt worden. Wir dagegen halten an der Berechnung fest, auf die man sich in Arles geeinigt hat.»
«Ihr wagt es, im Angesicht Gottes Unwahrheiten zu verbreiten!» versetzte Agilbert, der
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