Nur Der Tod Bringt Vergebung
debattierten noch immer hitzig und schienen das Mittagsmahl vergessen zu haben, das im Refektorium auf sie wartete.
Athelnoth zögerte. Er sah Wilfrid an, der in ein ernstes Gespräch mit Agilbert, dem rundlichen Wighard und dem gebrechlichen Erzbischof von Canterbury vertieft war und niemanden sonst wahrzunehmen schien. Schließlich wandte er sich seufzend um und folgte Eadulf und Fidelma zur Tür. Sie gelangten in den hortus olitorius, den ausgedehnten Küchengarten, der jenseits des sacrarium lag.
Die warme Maisonne warf ihr helles Licht auf die bunten Beete. Der Duft unzähliger Pflanzen und Kräuter lag in der Luft.
«Laßt uns ein wenig zwischen den Beeten wandeln und nach der Enge in der Versammlungshalle Gottes frische Luft genießen», schlug Eadulf in fast salbungsvollem Ton vor.
Die anderen beiden nickten. Sie schritten einen der breiten Gartenwege entlang, wobei Fidelma und Eadulf Athelnoth in ihre Mitte nahmen.
«Kanntet Ihr Äbtissin Étain?» eröffnete Eadulf fast beiläufig das Gespräch.
Athelnoth warf ihm einen raschen Seitenblick zu.
«Das kommt darauf an, was Ihr unter ‹kennen› versteht», gab er zurück.
«Ich kann die Frage ja noch einmal anders stellen», entgegnete Eadulf geduldig. « Wie gut kanntet Ihr Étain von Kildare?»
Athelnoth errötete leicht. Er zögerte, dann antwortete er knapp: «Nicht besonders gut.»
«Aber Ihr kanntet sie?» fragte Fidelma, zufrieden mit der Art, wie der sächsische Mönch die Befragung eingeleitet hatte.
«Ich bin ihr vor vier Tagen das erste Mal begegnet.»
Als niemand darauf etwas erwiderte, sprach Athelnoth hastig weiter.
«Bischof Colmán rief mich vor einer Woche zu sich und sagte mir, er habe gehört, Äbtissin Étain von Kildare sei auf dem Weg nach Witebia, um an der großen Synode teilzunehmen. Ihr Schiff sei im Hafen von Ravenglass im Königreich Rheged eingelaufen, und die Reise würde sie über die Berge nach Catraeth führen. Colmán bat mich, gemeinsam mit einigen Brüdern nach Catraeth zu reiten, die Äbtissin dort in Empfang zu nehmen und sicher nach Witebia zu geleiten. Und genau das habe ich auch getan.»
«Es war Euer erstes Zusammentreffen mit der Äbtissin?» hakte Fidelma noch einmal nach.
Athelnoth runzelte die Stirn.
«Weshalb stellt Ihr all diese Fragen?» fragte er vorsichtig.
«Wir möchten uns ein klares Bild von Étains letzten Tagen verschaffen», erklärte Eadulf.
«Also gut, dann lautet die Antwort ja. Es war unser erstes Zusammentreffen.»
Fidelma und Eadulf wechselten argwöhnische Blicke. Beide waren sich ziemlich sicher, daß Athelnoth log. Aber warum?
«Und auf Eurer Reise nach Streoneshalh gab es keine besonderen Vorkommnisse?» fragte Eadulf nach einer Weile.
«Nein.»
«Ihr seid nicht mit der Äbtissin oder ihren Anhängern in Streit geraten?»
Athelnoth biß sich auf die Lippe.
«Ich weiß nicht, wovon Ihr redet», erwiderte er grimmig.
«Ach, kommt schon, Athelnoth», sagte Fidelma gutmütig. «Ihr seid als glühender Verfechter der Lehren Roms bekannt, und Äbtissin Étain sollte die Debatte für die Kirche Columbans eröffnen. Gewiß habt Ihr Euch das eine oder andere Wortgefecht geliefert? Schließlich wart Ihr einige Tage mit ihr und ihrem Gefolge unterwegs.»
Athelnoth zuckte mit den Schultern.
«Ach so. Natürlich gab es das eine oder andere Gespräch.»
«Gespräch?»
Athelnoths Seufzer kündete von kaum verhohlener Verärgerung.
«Wir hatten einen Streit, das war alles. Ich habe ihr meine Meinung gesagt. Das ist ja wohl kein Verbrechen.»
«Natürlich nicht. Ist es durch Euren Streit auch zu tätlichen Übergriffen gekommen?»
Athelnoth errötete. «Ein junger Mönch im Gefolge der Äbtissin mußte zurückgehalten werden. Sein jugendliches Ungestüm machte sein unbotmäßiges Gebaren verzeihlich. Er besaß noch nicht die nötige Reife, um zu wissen, daß sich Meinungsunterschiede nicht mit Gewalt austragen lassen. Ein hitzköpfiger Knabe. Der Vorfall blieb ohne Folgen.»
«Und was geschah, nachdem Ihr hier angekommen seid?»
«Ich hatte meine Pflicht gegenüber meinem Bischof erfüllt. Die Äbtissin und ihr Gefolge hatten Streoneshalh wohlbehalten erreicht, und meine Aufgabe war erfüllt.»
«Wirklich?» fragte Fidelma scharf.
Athelnoth sah sie an, antwortete jedoch nicht.
«Habt Ihr sie nach Eurer Ankunft noch einmal gesehen?» fragte Eadulf.
Athelnoth schüttelte den Kopf.
«Hm.» Fidelma atmete tief. «Ihr habt Étain also nicht in ihrer Zelle aufgesucht und den
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