Nur Der Tod Bringt Vergebung
unüberhörbar spöttischem Unterton, «daß die Kirchen des Ostens die neue römische Datierung des Osterfests bereits zurückgewiesen haben. Sie folgen den gleichen Berechnungen wie wir. Und sie sind weit davon entfernt, den Namen Anatolius von Laodikeia zu verhöhnen. Weder die Kirche der Iren und Bretonen noch die Kirchen des Ostens haben sich von der ursprünglichen, in Arles beschlossenen Datierung abgewandt. Einzig und allein Rom versucht, die alte Tradition aus den Angeln zu heben.»
«Euer Fehler ist, daß Ihr Rom für den Mittelpunkt der Welt haltet», meldete sich Bischof Colmán zu Wort. «Ihr tut gerade so, als hätten wir uns mit dem Rest der Christenheit überworfen. Und doch haben sich die Kirchen Ägyptens und Syriens, ja die Kirchen des gesamten Ostens auf ihrem Konzil von Chalcedon geweigert, die römischen Vorschriften …»
Empörte Zwischenrufe aus den Rängen der Anhänger Roms übertönten den Rest seiner Rede. Der Aufruhr wurde so groß, daß man kein einziges Wort mehr verstand.
Schließlich stand König Oswiu auf und hob die Hand.
Nur allmählich kam der Saal zur Ruhe.
«Brüder und Schwestern, unsere Debatte am heutigen Vormittag war lang und anstrengend, und zweifellos haben wir viel Stoff zum Nachdenken ausgetauscht. Ich denke, wir sollten uns eine Pause gönnen, um neben der geistigen auch körperliche Nahrung zu uns zu nehmen. Den Nachmittag sollten wir in Meditation verbringen und uns erst heute abend wieder hier versammeln.»
Das allgemeine Stimmengewirr schwoll erneut an, als sich die Menge erhob, sich aber nur zögernd zu zerstreuen begann.
«Wo ist Athelnoth?» fragte Fidelma ihre Nachbarin.
Angestrengt ließ die Schwester ihren Blick über die Menge schweifen.
«Dort drüben, Schwester, auf der anderen Seite der Halle. Neben dem jungen Mann mit dem strohblonden Haar.»
Mit einem kurzen Seitenblick auf Eadulf wandte Schwester Fidelma sich in die angegebene Richtung und bahnte sich einen Weg durch die noch immer in zahlreichen Grüppchen debattierende Menge auf die Gestalt zu, die ihre Nachbarin ihr gezeigt hatte. Athelnoth stand dicht hinter dem streitlustigen Wilfrid von Ripon, und es sah ganz so aus, als wartete er auf eine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Daneben stand ein hellblonder Mönch, der für Wilfrid mehrere Bücher und Dokumente bereitzuhalten schien.
«Bruder Athelnoth?» sprach Fidelma ihn von hinten an.
Athelnoth schrak zusammen. Fidelma konnte sehen, wie sich die Muskeln in seinem Nacken anspannten. Dann wandte er sich langsam zu ihr um.
Obgleich er nicht sehr groß war, schien er seine Begleiter dennoch zu überragen. Er hatte ein breites Gesicht, eine hohe Stirn, eine feine Adlernase und dunkle Augen. Fidelma nahm an, daß viele Frauen ihn anziehend fanden. Auf sie wirkten seine düsteren Züge jedoch eher unheimlich.
«Ihr wollt mich sprechen, Schwester?» fragte er mit volltönender, angenehmer Stimme.
Eadulf, der ihr in dem Gedränge nur mit Mühe hatte folgen können, erschien keuchend neben ihr.
«Wir wollten Euch sprechen.»
«Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig.» Athelnoths Tonfall deutete kühle Überlegenheit an, und jetzt, da er Eadulf sah, richtete er seine Worte ausschließlich an den sächsischen Mönch. Fidelma störte die Angewohnheit der Sachsen, sie, sobald ein Mann zugegen war, einfach zu übersehen. «Ich warte darauf, mit Abt Wilfrid sprechen zu können.»
Bruder Eadulf ergriff das Wort, ehe Fidelma antworten konnte. Vielleicht hatte er das wütende Funkeln in ihren Augen gesehen.
«Es wird nicht lange dauern, Bruder. Es geht um den Tod von Äbtissin Étain.»
Athelnoth konnte seine Züge nicht ganz beherrschen. Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über sein Gesicht und verschwand, ehe Schwester Fidelma ihn deuten konnte.
«Was hat ihr Tod mit Euch zu tun?» erwiderte Athelnoth ungehalten.
«König Oswiu hat uns mit der Untersuchung des Mordfalles betraut, und zwar mit ausdrücklicher Billigung von Bischof Colmán und Äbtissin Hilda.»
Schwester Fidelmas ruhige, klare Worte reichten aus, um Athelnoths Einwände zu entkräften. Solcher Machtbefugnis konnte auch er nichts entgegensetzen.
«Und was wollt Ihr von mir?» Fidelma konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sich ein angriffslustiger Ton in seine Stimme schlich.
«Laßt uns hinausgehen. Hier versteht man sein eigenes Wort nicht», schlug Eadulf vor und deutete auf die Seitentür des sacrarium. Die versammelten Glaubensbrüder und -schwestern
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