Nur Der Tod Bringt Vergebung
traute.
« Deusdedit, der Erzbischof von Canterbury, liegt tot in seinem cubiculum. Bitte, kommt sofort.»
Fidelma schluckte.
Ein weiterer Mord? Und am Erzbischof höchstpersönlich? Das war doch Wahnsinn! Sie betrachtete Schwester Athelswiths entgeistertes Gesicht und packte sie am Arm.
«Nehmt Euch zusammen, Schwester. Habt Ihr schon irgend jemandem davon erzählt?»
«Nein, nein. Ich war so durcheinander, daß ich gleich zu Euch gelaufen bin, weil … weil …»
Schwester Athelswith war völlig verwirrt.
«Habt Ihr nach dem Medikus geschickt?» fragte Fidelma.
Schwester Athelswith schüttelte den Kopf.
«Bruder Edgar, unser Medikus, ist nach Witebia aufgebrochen, um dem kranken Sohn des hiesigen Than beizustehen. Wir haben keinen anderen Medikus in der Abtei.»
«Dann sucht sofort nach Bruder Eadulf. Er verfügt über einige medizinische Kenntnisse. Danach lauft Ihr zu Äbtissin Hilda und berichtet ihr, was geschehen ist. Sagt beiden, sie sollen sofort zu Deusdedits cubiculum kommen.»
Schwester Athelswith nickte und eilte davon.
Fidelma begab sich zu Deusdedits Unterkunft im domus hospitale. Schwester Athelswith hatte sie ihr gezeigt, als sie ihr die Verteilung der cubicula erklärt hatte.
Sie schob die Tür auf, die Schwester Athelswith in der Eile angelehnt gelassen hatte, und spähte hinein.
Deusdedit lag auf seinem Bett. Schon auf den ersten Blick war zu erkennen, daß sein Bettzeug nicht in Unordnung geraten war. Mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen wirkte er so friedlich, als würde er schlafen. Seine Haut erinnerte an gelbliches Pergament. Fidelma dachte daran, daß der Erzbischof schon bei seinem ersten Auftritt im sacrarium sehr gebrechlich ausgesehen hatte.
Fidelma wollte gerade nähertreten, als sich eine schwere Hand auf ihre Schulter legte. Erschrocken sah sie sich um.
Das engelsgleiche Gesicht Bruder Wighards schaute sie an.
«Geht nicht hinein, Schwester», flüsterte der Sekretär des Erzbischofs. «Ihr setzt sonst Euer Leben aufs Spiel.»
Fidelma sah ihn verständnislos an.
«Was meint Ihr damit?»
«Deusdedit ist an der Gelben Pest gestorben!»
Fidelma riß erstaunt die Augen auf.
«An der Gelben Pest? Woher wißt Ihr das?»
Wighard schniefte, streckte die Hand aus und schloß die Tür.
«Ich hatte schon seit einigen Tagen den Verdacht, daß Deusdedit an der schrecklichen Krankheit litt. Die gelblichen Augäpfel, die verfärbte Haut … Er klagte ständig über Schwächegefühl, mangelnden Appetit und Verstopfung. Ich habe in diesem Jahr schon zu viele an dieser Krankheit sterben sehen, um die Anzeichen nicht zu erkennen.»
Fidelma erschauderte, als sie die Bedeutung seiner Worte begriff.
«Wie lange wußtet Ihr schon davon?» drang Fidelma in den Mönch, der sie aus runden Augen bekümmert anblickte.
«Seit einigen Tagen. Zum erstenmal ist es mir wohl während der Reise nach Streoneshalh aufgefallen.»
«Und Ihr habt zugelassen, daß Deusdedit herkam und unter den Brüdern und Schwestern weilte?» fragte Fidelma empört. «Ihr wißt doch, wie ansteckend diese Krankheit ist. Warum habt Ihr ihn nicht irgendwo untergebracht, wo er gepflegt und behandelt werden konnte?»
«Weil es unbedingt notwendig war, daß Deusdedit, der Erbe des Heiligen Augustinus von Rom, der unser Volk in den Schoß der römischen Kirche führte, an der Synode teilnimmt», gab Wighard zurück.
«Ohne Rücksicht auf die Folgen?» fragte Fidelma barsch.
«Die Synode ist wichtiger als die Unpäßlichkeit eines einzelnen.»
In diesem Augenblick kam Äbtissin Hilda herbeigeeilt.
«Ein weiterer Todesfall?» fragte sie, und ihre Augen wanderten unruhig zwischen Fidelma und Wighard hin und her. «Was hat mir Schwester Athelswith da für eine schreckliche Nachricht gebracht?»
«Ja, ein weiterer Todesfall, aber zumindest scheint es sich diesmal nicht um einen Mord zu handeln», sagte Fidelma. «Offenbar war Deusdedit an der Gelben Pest erkrankt.»
Ungläubig und voller Angst schaute Hilda sie an.
«Die Gelbe Pest hier in Streoneshalh?»
Hilda beugte hastig das Knie.
«Gott schütze uns! Ist das die Wahrheit, Wighard?»
«Ich wünschte, ich könnte Euch einen anderen Bescheid geben, Mutter Oberin», antwortete Wighard verlegen. «Ja, es ist die Wahrheit.»
«Es scheint, daß unsere römischen Brüder es für wichtiger hielten, ihr geistliches Oberhaupt an der Synode teilnehmen zu lassen, als die Gefahr der Ansteckung für alle anwesenden Brüder und Schwestern zu bedenken», bemerkte
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