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Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
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eilte davon.
    «Wir könnten auch selbst im sacrarium nachschauen», sagte Eadulf, «für den Fall, daß die gute Schwester ihn übersehen hat. Bei einer so großen Versammlung wäre das sehr gut möglich.»
    «Vielleicht begegnen wir zumindest Bruder Taran und können ihm ein paar Fragen stellen», stimmte Fidelma zu und stand auf.
    Schon vor der Tür zum sacrarium konnten sie das Geschrei der versammelten Glaubensbrüder und -schwestern hören. Das Streitgespräch war in vollem Gange. Wilfrid war aufgesprungen und schlug aufgebracht mit der Faust auf das hölzerne Pult.
    «Es ist ein Skandal! Eine Erfindung von Cass Mac Glais, dem Schweinehirten Eures heidnischen irischen Königs Loegaire!»
    «Das ist eine gemeine Lüge!» Cuthbert war ebenfalls aufgestanden; sein Gesicht war rot vor Zorn.
    Von seinen Nachbarn gestützt, erhob sich der alte Jakobus, der gemeinsam mit dem römischen Missionar Paulinus vor fünfzig Jahren ins Königreich Kent gekommen war. Mit Hilfe eines Stocks hielt er mühsam das Gleichgewicht. Beim Anblick des alten Mannes wurde es still im Saal. Selbst die Anhänger Columbans verstummten. Jakobus genoß bei allen Christen hohes Ansehen, war er doch die letzte Verbindung zum Heiligen Augustinus, den Gregor der Große ausgeschickt hatte, um den Heiden in den sächsischen Königreichen zu predigen.
    Erst als es völlig ruhig in der Kapelle war, begann Jakobus mit krächzender Stimme zu sprechen.
    «Ich muß mich für meinen jungen Freund, Wilfrid von Ripon, entschuldigen.»
    Erstauntes Murmeln war zu hören, und Wilfrid schaute verwirrt zu Jakobus auf.
    «Jawohl», fuhr dieser unbeirrt fort. «Was den Ursprung der Tonsur angeht, die man bei den Iren und Bretonen trägt, befindet sich Wilfrid im Irrtum.»
    Spätestens jetzt besaß Jakobus die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuhörer.
    «Unsere Glaubensbrüder haben sich in die Irre leiten lassen. Die Tonsur, die sie so leidenschaftlich verteidigen, wurde von Simon Magus von Samaria erfunden, der dachte, er könnte die Kraft des Heiligen Geistes mit Geld erkaufen, und von Petrus dafür gebührend getadelt wurde. Als ich ein junger Mann war, kam ich mit Paulinus auf diese Insel. Wir trugen die gleiche Tonsur wie auch unser Heiliger Vater, Gregor der Große. Genauso hatten auch Augustinus und seine Gefährten ihr Haar geschoren. Um so größer war unsere Empörung, als wir die Bretonen und unsere Glaubensbrüder aus Irland einem Symbol nacheifern sahen, das dem christlichen Glauben entgegensteht. Ich möchte Euch fragen, Bruder Cuthbert, der Ihr nach der immerwährenden Krone des Lebens strebt, warum Ihr im Widerspruch zu diesem Glauben darauf beharrt, auf Eurem Kopf das Abbild einer unvollkommenen Krone zu tragen?»
    Cuthbert sprang wütend auf.
    «Wenn Ihr gestattet, ehrwürdiger Jakobus, dies ist die Tonsur, die keinem anderen als dem Apostel Johannes zugeschrieben wird. Ihr könnt ja mit eigenen Augen sehen, daß sie an eine Krone oder einen Kreis erinnert.»
    Jakobus schüttelte den Kopf.
    «Wenn ich Euch unmittelbar gegenüberstehe, Bruder. Aber beugt doch einmal den Kopf und dreht Euch um …»
    Stirnrunzelnd folgte Cuthbert der Aufforderung.
    Von den römischen Rängen war höhnisches Gelächter zu hören.
    «Seht Ihr? Eine unvollkommene Krone, ein Halbkreis: decurtatam eam, quam tu videre putabas, invenies coronam! » rief der alte Jakobus.
    Mit hochrotem Kopf setzte sich Cuthbert.
    Jakobus deutete auf den kleinen, kahlgeschorenen Kreis auf seinem Scheitel.
    «Dies hier ist der wahre Kreis, das Symbol der Dornenkrone. Nur diese Tonsur hat den Segen des Heiligen Petrus, des Felsens, auf den unsere Kirche gebaut ist. Selbst manche Bretonen erkennen inzwischen diese Wahrheit an. Vor allem jene, die aus Britannien flohen, um sich im fernen Iberia in Galizien anzusiedeln, haben die corona spinea übernommen. Schon vor dreißig Jahren hat die Synode von Toledo der barbarischen Tonsur unter den bretonischen Geistlichen in Galizien ein Ende gesetzt.»
    Mit einem selbstzufriedenen Lächeln nahm Jakobus wieder Platz.
    Heißer Zorn stieg in Fidelma auf, als unter den Anhängern Columbans betretenes Schweigen herrschte. Warum trat niemand vor, verteidigte die Tonsur Columbans und erklärte ihre tiefe mystische Bedeutung? Schon zu Zeiten der Druiden war die Tonsur, airbacc giunnae genannt, ähnlich geschnitten worden. Für das irische Volk verbanden sich mit dieser Tonsur uralte Traditionen. Fidelma machte einen Schritt vor und wollte gerade zum Sprechen

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