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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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den Grund schon wieder vergessen.
    »Wer ist da?«, fragte ihre Mutter.
    »Hi, Megan«, sagte Delilah Franklin, als sie den kleinen Flur betrat. »Hi, Mrs. Crosbie. Tut mir leid, dass ich Sie zu Hause störe.«
    Ihre Mutter stand auf. »Delilah«, sagte sie und runzelte besorgt die Stirn. »Ist alles in Ordnung?«
    Megan ahnte, dass ihre Mutter Angst hatte, ihr Vater könnte einen Herzinfarkt erlitten haben oder von einem Auto überfahren worden sein. »Geht es meinem Vater gut?«, fragte sie deshalb für sie.
    »Soweit ich weiß. Warum? Ist irgendwas passiert?«
    Sandy ließ die Schultern wieder sinken. »Was können wir für dich tun?«
    »Ich wollte nur fragen, ob Sie Mr. und Mrs. Hamilton heute vielleicht schon gesehen haben.«
    Megan und ihre Mutter blickten zum Nachbarhaus. »Nein«, antworteten sie im Chor. »Warum?«
    »Ich sollte heute Nachmittag eigentlich babysit... vorbeikommen und Mrs. Hamilton ein paar Stunden Gesellschaft leisten. Ich habe zehn Minuten lang geklingelt, aber niemand macht auf.«
    Sandy zuckte die Achseln. »Dann sind sie vermutlich nicht zu Hause.«
    »Vermutlich.« Delilah trat von einem Fuß auf den anderen, als hoffte sie hereingebeten zu werden, um dort auf die Rückkehr der Hamiltons zu warten.
    Bitte nicht, betete Megan stumm.
    »Dann komm ich wohl später noch mal wieder.«
    »Am besten rufst du vorher an«, schlug Sandy vor.
    »Ja. Es ist trotzdem seltsam.« Delilah wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch, als Megan schon im Begriff war, die Tür zu schließen, noch einmal um. »Ich wollte eigentlich gar
nicht mehr hingehen. Es ist nämlich irgendwie unheimlich da. Aber dann hat mir Mrs. Hamilton leidgetan. Haben Sie je mit ihr gesprochen?«
    »Eigentlich nicht.«
    Delilah zögerte. »Na, wir sehen uns dann in der Schule.«
    »Wir sehen uns in der Schule«, wiederholte Sandy, als Megan die Tür schloss.

20
    » K ann ich ihm sagen, worum es geht?«, fragte die junge Frau.
    John Weber lehnte seinen massigen Körper gegen den hohen Empfangstresen und ließ den Blick über die geschlossenen Türen schweifen, die von dem hell erleuchteten Empfangsbereich abgingen. »Sag ihm einfach, dass der Sheriff ihn ein paar Minuten zu sprechen wünscht. Oh, und Becky«, sagte er zu dem Mädchen, das er seit ihrem zweiten Lebensjahr kannte und dessen pausbäckiges, sommersprossiges Gesicht sich in den seither vergangenen zwanzig Jahren kaum verändert hatte, »sag ihm, dass ich nicht den ganzen Tag Zeit habe.« Er sah sich in dem vollen Wartebereich um. Es war halb neun an einem Montagmorgen, und es wartete bereits ein halbes Dutzend Patienten.
    »Dr. Crosbie«, hörte er Becky in die Gegensprechanlage flüstern, »Sheriff Weber ist hier und möchte Sie sprechen. Ähm, ich weiß nicht. Das hat er nicht gesagt.« Sie hob den Kopf und lächelte schüchtern. »Dr. Crosbie bittet Sie, noch einen Moment Platz zu nehmen. Sie können zu ihm, sobald er mit der Patientin fertig ist.«
    »Danke.« John sah sich in dem grau gestrichenen Empfangsbereich um und stellte fest, dass nur noch ein Platz frei war, zwischen einer älteren Dame, die kummervoll den Oberkörper hin und her wiegte, und einem Mann, der sich seit Johns Ankunft unaufhörlich die Nase geputzt hatte. Und auch wenn er sich mit genug Zeit und Mühe vielleicht an ihre
Namen erinnern könnte, kannte er keinen von beiden über ein freundliches Hallo hinaus. Gleiches galt für die drei Frauen mittleren Alters und einen weiteren Mann, die ihre angespannten Gesichter hinter Zeitschriften verbargen. Es war noch gar nicht so lange her, dass John praktisch jeden in der Stadt gekannt hatte. Jetzt sahen die Leute alle vage ähnlich aus, und ein Gesicht verschwamm mit dem nächsten. John fragte sich, ob diese Entfremdung ein weiteres Indiz dafür war, dass er zu alt und zu selbstzufrieden wurde, um seinen Job anständig zu erledigen. Er trat an das Fenster mit Blick auf die Straße und versuchte, das Bild des Bürgermeisters zu verdrängen, dessen verkniffenes Gesicht ihm aus der getönten Scheibe entgegenzublicken schien.
    Ian Crosbies Praxis lag im ersten Stock eines relativ neuen dreistöckigen Gebäudes in der Church Street, die ihren Namen einer gehäuften Ansammlung von Kirchen in der Gegend verdankte. John versuchte, sich zu erinnern, wann er außer zu einer Hochzeit oder Beerdigung zum letzten Mal in einer Kirche gewesen war. Der Gedenkgottesdienst für Liana Martin hatte gleich um die Ecke stattgefunden, obwohl er da streng genommen auch nicht

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