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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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den Kopf geworfen und ist aus dem Haus gestürmt.«
    »Hat sie eine Ahnung, wohin er gegangen sein könnte?«
    Sandy schüttelte den Kopf. »Er hat den Wagen genommen. Sie ist außer sich, weil sie glaubt, er könnte etwas getrunken haben.«
    »Scheiße«, fluchte John. Wie oft hatte er das heute Abend schon gesagt?
    »Ich wusste nicht, ob ich Ihnen das erzählen sollte.«
    »Das haben Sie ganz richtig gemacht.«
    »Ich möchte nicht, dass Brian irgendwelchen Ärger bekommt.«
    »Klingt so, als hätte er schon Ärger.«
    »Was wollen Sie jetzt machen?«
    »Ihn finden«, antwortete John schlicht.
    »Und was dann?«
    John schüttelte den Kopf. Er hasste Gespräche, die mit der Frage endeten: Und was dann?

23
    D ie nächste Stunde fuhr John Weber die kreuz und quer verlaufenden Straßen von Torrance ab. Der Mensch, der diese Stadt entworfen hatte, sollte erschossen werden, dachte er, obwohl er wusste, dass der Entstehung der Stadt keinerlei Planung vorausgegangen war und sich Torrance gewissermaßen selbst entworfen hatte. Es war aus einer Ansammlung verstreuter Gehöfte zu seiner heutigen Gestalt gewachsen, ohne einem bestimmten Lauf zu folgen, wie Speckrollen, die aus einem zu engen Hüfthalter quollen und ausfüllten, was ihnen an Raum zur Verfügung stand.
    John legte eine weitere perfekte Wende am Ende einer weiteren Sackgasse hin und schüttelte befremdet über seine Unfähigkeit den Kopf. Es war schließlich nicht so, als ob er sich nicht auskennen würde. Aber es war schon spät, er wurde müde, es gab keine Straßenbeleuchtung, und der sternlose Himmel war so dunkel, dass er sich auch mit der Zeit nicht daran gewöhnte. Wie sollte er da irgendjemanden finden?
    Es war schon ironisch, dass er den Abend auf der Suche nach einem Mann begonnen hatte, um ihn jetzt auf der Suche nach einem anderen zu beenden. An einem Ende der Suche stand Cal Hamilton, ein brutaler Schläger, bloß Eier und kein Verstand, am anderen der intelligente, schüchterne, sensible Brian Hensen. Konnten zwei Menschen verschiedener sein? Und gab es eine Verbindung zwischen ihnen? War es möglich, dass Brian Hensen irgendetwas mit Fiona Hamiltons Verschwinden und, weiter gedacht, auch mit Liana Martins
Tod zu tun hatte? Er hoffte inständig, dass dem nicht so war. Die Familie hatte gewiss schon genug gelitten.
    Wieder kehrten seine Gedanken zu dem Nachmittag vor drei Jahren zurück, als er das Telefon abgenommen und die ausdruckslose Stimme eines vierzehnjährigen Jungen gehört hatte, der ihn zu dem bescheidenen Haus im Cherry Drive rief. »Sheriff Weber«, hatte die Stimme tonlos gesagt, »hier ist Brian Hensen. Könnten Sie bitte kommen. Mein Vater ist tot. Ich kann ihn nicht abschneiden.«
    Die Gesichtszüge von Brian Hensen senior waren dem seines Sohnes bemerkenswert ähnlich, obwohl Brian insgesamt zarter als sein Vater war. Außerdem hatte Brian blonderes Haar, hellere Haut und noch blassere blaue Augen. Man würde keinen von beiden als attraktiv bezeichnen – ihre Nase war zu breit und ihr Kinn zu fliehend -, aber es waren nichtsdestoweniger absolut ansehnliche Gesichter. Es schien einfach irgendetwas zu fehlen, ein Fokus vielleicht, und der leicht weltfremde Ausdruck, der seinen Platz einnahm, hatte sich vom Vater auf den Sohn vererbt.
    Brian Hensen senior hatte sein Leben lang unter Depressionen gelitten und sich vor drei Jahren ihren Verwüstungen ergeben wie einer tödlichen Krankheit. Manche Leute hatten die Nase gerümpft, ihn einen Feigling genannt und gesagt, er hätte es sich leicht gemacht. Aber seine psychische Krankheit hatte Brian Hensen aller Alternativen beraubt. Würden die Leute ebenso abfällig urteilen, wenn jemand an Lungenentzündung starb oder vor dem permanenten, schwächenden Schmerz einer Krebserkrankung kapitulierte? Schmerz war Schmerz, dachte er, während er den verlassenen Straßenrand nach Brians schwarzem Honda Civic absuchte.
    Er hatte sich Sorgen um Brian gemacht, seit er ihn damals an den leblosen Körper seines Vaters geschmiegt vorgefunden hatte, die dünnen Arme um die muskulösen Oberschenkel des Mannes geschlungen, um ihn anzuheben und das Gewicht an dem gebrochenen Hals zu lindern. »Ich konnte ihn nicht
abschneiden«, sagte der Junge immer wieder, und auf den weißen Fliesen lag eine nutzlose Schere.
    Auch für John und seinen Deputy war es in der Tat schwierig gewesen, das zum Seil gewundene Laken zu durchschneiden, dass Hensen senior als Schlinge benutzt hatte. Und noch schwieriger war es,

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