Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
missbilligende Kopfschütteln. Sie wusste, dass die anderen sich dabei an Tanya McGoverns Version der Geschichte hielten, der zufolge sie sich zum Idioten gemacht und die Totenwache für eine Freundin ausgenutzt hatte, um mit dem Freund einer anderen Freundin herumzumachen. Dabei hatte Tanya ihr gegenüber bisher mit keinem Wort erwähnt, dass sie sich für Greg interessierte, und Greg hatte Tanya als viel zu leicht zu kriegen abgetan. An diesem Abend hatte Megan also alles verloren: einen möglichen Freund, ihre so genannten Freundinnen, ihren Ruf und ihre Selbstachtung. Und sie begriff nach wie vor nicht, warum. Sie verstand nicht, was geschehen war.
    In einem Moment hatten sie und Greg sich leidenschaftlich geküsst, im nächsten war er einfach weggegangen. Küsste sie so schlecht? Hatten ihre Ungeschicklichkeit und ihr offenkundiger Mangel an Erfahrung ihn abgestoßen? Hatte er eine größere Herausforderung erwartet? Hatte er nur mit ihr gespielt? Hatte er entschieden, dass sie die Mühe schlicht nicht wert war? Sie wusste, dass er sich für sie interessiert hatte. Was hatte seinen Sinneswandel – noch dazu einen derart abrupten – herbeigeführt?
    Den ganzen Montag über hatte er sie ignoriert und sich beim ersten gemeinsamen Lesen des Stückes gestern Nachmittag sogar auf die andere Seite des Mittelganges gesetzt. Bei
der heutigen Probe hätte ihre erste große gemeinsame Szene auf dem Programm gestanden, und sie hatte gehofft, die Sache anzusprechen. Sie suchte gar keine Konfrontation, sie wollte nur eine Erklärung. Wenn eine Entschuldigung notwendig war, würde sie sich entschuldigen, obwohl sie nicht wusste, wofür. Was hatte sie Schreckliches getan? Gut, eine Totenwache war vielleicht nicht der ideale Anlass für den Beginn einer neuen Liebe, aber sie waren schließlich nicht die Einzigen, die an diesem Abend rumgeknutscht hatten, und die anderen wurden nicht gemieden.
    Megan hatte am vergangenen Abend aus dem Fenster ihres Zimmers gestarrt, als Gregs weißer Transporter in ihre Straße gebogen war, und einen herzzerreißenden Augenblick lang hatte sie geglaubt, Greg würde vielleicht zu ihr kommen. Aber stattdessen waren er und Mr. Lipsman vorne, Peter Arlington hinten ausgestiegen, und alle drei waren Sekunden später in Cal Hamiltons Haus verschwunden. Joey Balfours Wagen parkte bereits hinter Cals Sportwagen in der Einfahrt, kurz darauf war ein ramponierter roter Chevy eingetroffen, und schließlich der Sheriff. Es dauerte nicht lange, bis alle wieder aus dem Haus kamen. Greg stieg in seinen Transporter, ohne sich auch nur umzusehen.
    Zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens hatte Megan mit aller Macht versucht, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, und als das nicht geklappt hatte, war sie zwischen zwei und vier daran gegangen, sich schlaue Bemerkungen und Rückeroberungsstrategien auszudenken. Sie hatte sich verschiedene Reaktionen seinerseits ausgemalt, von nett und freundlich über gleichgültig bis zu feindselig. Sie hatte sich auf alles eingestellt, nur nicht auf die Möglichkeit, dass einfach gar nichts passieren würde. Auf die Idee, dass er nicht auftauchen würde, war sie überhaupt nicht gekommen. Sie hatte sich vielmehr die Haare gewaschen und ihren neuen schwarzen Pulli mit dem runden Ausschnitt angezogen. »Ist der Ausschnitt für die Schule nicht ein bisschen tief?«, hatte ihre Mutter gefragt.

    Und was hatte Gregs Abwesenheit nun zu bedeuten? Brauchte sein Vater zu Hause wirklich seine Hilfe? Oder stieg Greg ganz aus der Produktion aus, nachdem er offenbar keine Lust mehr hatte, den großspurigen Petruchio für sie als eigensinnige Kate zu geben? Verdammt. Er war der einzige Grund, warum sie überhaupt für das bescheuerte Musical vorgesungen hatte. Und nun saß sie hier mit einem Haufen Jugendlicher in der Aula fest, die sie behandelten, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Der einzige Mensch, der nett zu ihr war, war Delilah Franklin, was alles nur noch schlimmer machte. Vielleicht hatte ihre Mutter Recht. Vielleicht war es an der Zeit, nach Rochester zurückzugehen. Nach Torrance gehörte sie jedenfalls ganz offensichtlich nicht. Gehörte sie überhaupt irgendwohin?
    Mr. Lipsman fasste sich an die Nase und schob mit dem Zeigefinger eine unsichtbare Lesebrille hoch. »Also gut. Dann werden wir wohl ohne ihn fortfahren müssen.« Er winkte Amber und einige andere zu sich auf die Bühne. »Tanya, warum versuchst du derweil nicht, ihn zu erreichen? Vielleicht kann er seinen

Weitere Kostenlose Bücher