Nur Der Tod Kann Dich Retten
Vater überreden, ein paar Stunden auf ihn zu verzichten.«
»Ich versuch es auf seinem Handy«, bot Tanya an und zog sich in Begleitung von Ginger Perchak in die letzte Reihe der Aula zurück. Noch vor kurzem hätte sie sich ihnen ohne Zögern angeschlossen, dachte Megan wehmütig.
»Glaubst du, sein Vater macht ihm Stress, weil er in dem Stück mitspielen will?«, fragte Delilah und rutschte auf den Platz neben Megan.
»Woher soll ich das wissen?«, fauchte Megan und starrte geradeaus.
»Sorry, ich dachte, ihr zwei wärt...«
»Was?«
»Du weißt schon.«
»Ich weiß nichts . Und das sind wir nicht.«
»Sorry«, entschuldigte Delilah sich erneut und rutschte so
tief in ihren Sitz, dass sie beinahe lag. Megan konnte die Polster förmlich ächzen hören. »Ich dachte bloß -«
»Denk nicht.«
»Sorry«, sagte Delilah ein drittes Mal. »Hast du das von Brian Hensen und Perry Falco gehört?«
»Was ist mit ihnen?«
»Joey hat sie gestern Abend im Park beim Knutschen erwischt.«
Megan hatte die Gerüchte gehört und die aufgeregten E-Mails gelesen. »Joey ist ein Arschloch.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
»Und warum verbreitest dann ausgerechnet du solchen bösartigen Klatsch?« Aber schon als sie die Frage stellte, wusste Megan, dass sie ungerecht war. Delilah war schließlich auch nur ein Mensch. Sie mochte Klatsch ebenso wie jeder andere, vor allem wenn sie ausnahmsweise einmal nicht das Opfer war. Es war so viel leichter, sich mit dem Sieger zu identifizieren als mit dem Verlierer.
»Sorry.«
»Hör auf, dich ständig zu entschuldigen.«
»Sorry«, murmelte Delilah. Dann, als Megan gerade beschlossen hatte, dass sie für heute genug Sorrys gehört hatte und sofort nach Hause gehen wollte, fragte Delilah: »Was glaubst du, was mit Fiona Hamilton passiert ist?« Ihr Verschwinden war das Stadtgespräch.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Kanntest du sie gut?«
Megan schüttelte den Kopf. »Ich kannte sie überhaupt nicht.«
»Aber sie ist doch deine Nachbarin.«
»Na und? Ich habe sie praktisch nie gesehen.«
»Glaubst du, dass Lianas Mörder ihr was angetan hat?«
Megan schüttelte den Kopf. Am Abend zuvor hatte sie mit ihrer Mutter ein ähnliches Gespräch geführt, nur dass sie da diejenige gewesen war, die Delilahs Fragen gestellt hatte. Nun
gab sie die Antwort ihrer Mutter. »Ich glaube, sie ist wahrscheinlich bloß abgehauen.«
»Hoffentlich hast du Recht«, sagte Delilah.
Es war Dienstagnachmittag vier Uhr, und Fiona Hamilton war immer noch nicht wiederaufgetaucht. Es hieß, das FBI sollte hinzugezogen werden. Und für den nächsten Tag war eine groß angelegte Suche in der gesamten Gegend geplant.
»Ich kann ihn nicht erreichen«, sagte Tanya plötzlich von hinten und trampelte den Gang hinunter. Ginger folgte ihr wie ein eifriges Hündchen auf dem Fuße. »Er geht nicht an sein Handy.« Die beiden setzten sich auf zwei Plätze auf der anderen Seite des Ganges. »Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Mr. Lipsman seufzte und schnalzte dann mit der Zunge. »Der Chor bitte auf die Bühne.«
Delilah war sofort auf den Beinen.
»Gott, guck dir diese Kuh an«, flüsterte Tanya so laut, dass alle es hören konnten, als Delilah die Stufen zur Bühne erklomm.
»Wohl eher ein Elefant«, pflichtete Ginger ihr bei.
Sie sahen Megan an, als wollten sie sie zum Mitlästern herausfordern, damit jene ihre Solidarität mit ihnen demonstrieren konnte. Megan begriff, dass sie mit ein paar gemeinen Worten ihre Gunst wiedergewinnen könnte, dass Tanya ihr die Gelegenheit bot, wieder dazuzugehören. Das war ihre Chance, alles wiedergutzumachen. Dass sie Tanya und Ginger beim Kampf um die Rolle der Kate ausgestochen und mit Greg geknutscht hatte. Es wäre so leicht. Sie musste lediglich ein angemessen unattraktives Tier erwähnen. Und sie schuldete Delilah ganz bestimmt nichts. Bloß weil das Mädchen nett zu ihr gewesen war. Oder weil die beiden Außenseiterinnen eines Tages Stiefschwestern werden könnten. Sie machte den Mund auf und wollte gerade ein Oink, Oink ausstoßen, als sie die Ermahnung ihrer Mutter hörte. Wenn man über jemanden nichts Nettes sagen kann, sagt man am besten
gar nichts . Gefolgt von einer weiteren ihrer Lieblingsplatitüden: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu . Megan machte den Mund wieder zu, sowohl Tanya als auch Ginger wandten sich enttäuscht ab, und die Chance auf neuerliche soziale Akzeptanz verflüchtigte sich ebenso
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