Nur Der Tod Kann Dich Retten
Gewicht, oder?«
»Nein«, gab Sandy zu. »Aber ich war mit meinem Aussehen auch nie zufrieden. Früher war ich viel zu dünn, und ich habe mir immer große Brüste gewünscht.«
»Oh, die kann man sich kaufen«, sagte Delilah so beiläufig, dass Sandy laut auflachte. »Ich glaube, die nächste Querstraße ist Citrus Grove.«
»Und wie geht es von hier aus weiter?« Sandy vergewisserte sich mit einem Blick auf das Tachometer, dass sie nicht zu schnell fuhr.
»Etwa eine halbe Meile geradeaus und dann links.«
»Zu Fuß wäre das aber verdammt weit gewesen.«
»Meine Großmutter sagt, Bewegung tut mir gut.«
»Du kennst dich ja ziemlich gut aus in der Gegend.«
»Ich wohne schon mein ganzes Leben hier«, erinnerte Delilah sie.
»Gefällt es dir hier?«
»Es ist okay. Irgendwann würde ich gern mal nach Kalifornien ziehen.«
»Ja? Was gibt’s denn in Kalifornien?«
»Filmstars«, sagte Delilah und kicherte mädchenhaft.
»Gehst du gern ins Kino?«
»Ja. Meine Mutter und ich sind dauernd ins Kino gegangen. Aber jetzt nicht mehr so oft. Hier links.«
Als sie von der Hauptstraße abbog, packte Sandy das Lenkrad fester. Dieser Tage hatte Kerri vermutlich nicht mehr so viel Zeit, mit ihrer Tochter ins Kino zu gehen, dachte sie, als sie zwischen den Orangenbäumen dahinfuhr, die die Straße säumten. Erstaunlich, wie schnell die Stadt sich in einer Reihe von kleinen Nebenstraßen verlor.
»Jetzt links und dann wieder rechts. Ich glaube, Mr. Lipsman wohnt da drüben.« Delilah zeigte auf ein adrettes kleines Haus auf einem gepflegten Rasengrundstück mindestens zweihundert Meter vom nächsten Nachbarn entfernt.
»Bis hierhin hättest du nie laufen können«, sagte Sandy, als sie in die schmale Einfahrt fuhr.
»Es ist weiter, als ich dachte«, räumte Delilah ein. »Zurück hätte ich wahrscheinlich trampen müssen.«
»Und das wäre keine gute Idee gewesen. Man kann nicht einfach zu wildfremden Menschen ins Auto steigen.« Sandy biss sich auf die Zunge. Sie war die Letzte, die Vorträge zu dem Thema halten sollte.
»Oh, ich kenne so ziemlich jeden in der Stadt. Außerdem -«, Delilah blickte an sich herab, »glaube ich nicht, dass ich mir große Sorgen machen muss. Na ja, ich spring kurz rein und hol die Sachen.«
»Weißt du, wo sie sind?«
»Mr. Lipsman hat gesagt, er wäre sich ziemlich sicher, dass er sie im Flur hat liegen lassen.« Delilah zögerte.
»Soll ich mit reinkommen?«
»Hätten Sie was dagegen?«, fragte Delilah, ohne eine Sekunde zu zögern.
Sandy stieg aus. Gemeinsam gingen sie zu dem zweistöckigen, mit Holz verkleideten, weißen Haus mit den verblichenen schwarzen Fensterläden. In einem Fenster im Erdgeschoss saß eine große graue Katze vor geschlossenen Spitzenvorhängen.
»Sieht nett aus«, sagte Delilah ohne rechte Überzeugung.
»Sieht aus wie die Art Haus, in dem Mr. Lipsman mit seiner Mutter leben würde.«
»Ich hab gehört, sie liegt hinter dem Haus begraben.«
»Was? Wer? Seine Mutter?«
Delilah nickte. »Offenbar wollte sie unter ihrem Lieblingszitronenbaum im Garten begraben werden.«
»Ich glaube nicht, dass man Menschen in seinem Garten begraben darf.« Nicht mal in Florida, fügte Sandy stumm hinzu.
»Das erzählen jedenfalls die Leute.«
Als sie sich der Haustür näherten, blickte Sandy an dem Haus vorbei in den Garten und fragte sich, ob das wirklich sein konnte. »Das glaube ich einfach nicht«, sagte sie dann, während Delilah die Haustür aufschloss. Sofort kamen mehrere Katzen angelaufen, eine fette schwarz-weiße streifte um Sandys nackte Waden.
»Oh, vorsichtig. Lassen Sie sie nicht rauslaufen«, quiekte Delilah.
Mit einem Fuß hielt Sandy mehrere widerspenstige Katzen mit in Schach und wünschte sich, eine lange Hose zu tragen. Sie schob die Tiere zurück in den Flur, während Delilah die Tür schloss. Der Geruch von Katzenstreu war überwältigend.
»Mr. Lipsman mag keine Klimaanlagen«, sagte Delilah. »Er sagt, Rauchen und Klimaanlagen sind das Schlimmste, was man seinen Lungen antun kann.«
»Ganz anders als die ganze Nacht Katzenhaare einzuatmen.«
»Mr. Lipsman ist ein bisschen seltsam. Aber sehr nett«, fügte sie eilig hinzu.
»Er ist seltsam«, stimmte Sandy ihr zu.
»Ich sehe nirgendwo Noten. Sie?«
Sandy blickte sich im Flur um. Durch ein portalförmiges Seitenfenster fielen Sonnenstrahlen in den stickigen Raum, in deren Licht Staubflocken herumwirbelten wie Konfetti. Sandy sah nur eine orangefarbene Katze, die sich auf einem
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