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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Queen-Anne-Stuhl räkelte, und eine weitere, die an den Beinen eines antiken Tischchens kratzte. Auf dem Tisch stand das Foto einer streng aussehenden Frau in einem schwarzen Kleid mit steifem Kragen. Ihr graues Haar war zu einem straffen Dutt aufgesteckt.
    »Das muss seine Mutter sein«, flüsterte Delilah.
    »Sieht aus wie eine echte Stimmungskanone.«
    Delilah kicherte. »Was glauben Sie, wo Mr. Lipsman seine Noten hingelegt hat?«
    »Warum guckst du nicht in der Küche, und ich sehe im Wohnzimmer nach«, schlug Sandy vor, und Delilah machte sich auf den Weg.
    Die Katzen folgten Sandy ins Wohnzimmer, wo sich weitere Katzen tummelten. Neben der einen im Fenster zählte Sandy zwei weitere auf einem dunkelgrünen Samtsofa und eine auf dem schweren Goldbrokatsessel daneben. Ein Stutzflügel nahm den übrigen Raum ein. Auf dem geschlossenen Deckel standen zahlreiche Fotos, die meisten zeigten Gordon mit seiner Mutter und reichten bis in seine Kindheit zurück. Im schwächer werdenden Licht der Nachmittagssonne, die durch die verstaubten Spitzengardinen fiel, erkannte Sandy, wie wenig sich das Gesicht des Mannes im Laufe der Jahre verändert hatte. Schon als kleiner Junge hatte er ausgesehen wie ein Mann mittleren Alters.
    Bei seiner Mutter war das vollkommen anderes. Die ursprünglich hübsche, ja wunderschöne Frau war mit den Jahren immer grober und stumpfer geworden, die Augen hatten ihr Funkeln verloren, ihr Lächeln seine Lebendigkeit. Auf einem der frühen Bilder posierte sie glücklich in einem schicken
blauen Kleid, den Arm um ein ebenso hübsches Mädchen gelegt, ihre Schwester vermutlich, und ihr jugendliches Lächeln konnte ihre offenkundige Ausgelassenheit kaum verbergen. Daneben stand ein weiteres Foto der beiden jungen Frauen, die auf einer Party zusammen tanzten.
    Sandys Blick schweifte von einem Bild zum nächsten. Fotos von Gordon und seiner Mutter, als er noch ein Baby war, Fotos von Gordon als Kleinkind zwischen seiner Mutter und seiner Tante, Fotos von Gordons Mutter mit ihren Katzen. Irgendwann wurde ihr Lächeln melancholisch, bis es ganz verschwand.
    Es gab auch andere Bilder, heimlich aufgenommene Fotos von Schülern der Torrance High: Ginger Perchak und Tanya McGovern, die ein Geheimnis teilten; Victor Drummond, der müßig ins Leere starrte; Greg Watt, der über irgendetwas lachte, das Joey Balfour erzählt; Liana Martin, die voller Freude über die Bühne hüpfte. Sie waren offensichtlich bei den Proben für Anatevka aufgenommen worden. Trotzdem fand Sandy sie irgendwie unheimlich. »Delilah?«, rief sie, weil sie plötzlich dringend hier wegwollte. »Delilah?«
    Keine Antwort.
    Sandy ging eilig aus dem Wohnzimmer den Flur hinunter zur Küche auf der Rückseite des Hauses. Delilah stand am Küchenfenster und blickte in Gordon Lipsmans leeren Garten. »Delilah?«, fragte Sandy. »Stimmt irgendwas nicht?«
    Als Delilah schließlich antwortete, schien ihre Stimme aus einem anderen Raum zu kommen. »Was glauben Sie, welcher es ist?«
    Sandy stieg über ein Katzenklo und trat zu Delilah ans Fenster. »Wovon redest du?«
    »Ich zähle vier Zitronenbäume. Ich glaube, es ist der dicht belaubte ganz hinten. Was glauben Sie?«
    Es dauerte einen Moment, bis Sandy kapierte, wovon Delilah sprach. »Ich versichere dir, Delilah, dass Mrs. Lipsman nicht im Garten beerdigt ist«, sagte sie, obwohl sie sich dessen
keineswegs sicher war. »Und jetzt lass uns die Noten suchen und zusehen, dass wir hier wegkommen.«
    »Oh, die hab ich gefunden.« Delilah drehte sich um und hielt die Blätter hoch. »Sie lagen auf dem Tresen.«
    »Gut. Dann nichts wie weg von hier.«
     
    Sie waren seit etwa zehn Minuten unterwegs, als Sandy merkte, dass sie in die falsche Richtung fuhren. Nach einem Abzweig, den sie vor eine Weile genommen hatte, schien ihr die tief stehende Sonne direkt in die Augen, was bedeutete, dass sie nach Westen fuhren, während die Stadt im Osten lag.
    »Ich glaube, wir hätten eben links abbiegen müssen«, hörte sie Delilah sagen. »Nicht rechts.«
    »Ich dachte, du hättest gesagt, wir müssen rechts abbiegen.«
    »Nein, ich habe gesagt, erst links und dann rechts.«
    Sandy wendete hastig und fuhr zur letzten Kreuzung zurück. Ian hatte ihr immer vorgehalten, dass sie keinerlei Orientierungssinn hätte und auf sich allein gestellt nicht einmal aus einer Papiertüte herausfinden würde. Außerdem war der Besuch in Gordon Lipsmans Haus irgendwie unheimlich gewesen. Das Bild von Liana Martin, die so

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