Nur Der Tod Kann Dich Retten
Und Joey hatte garantiert irgendwas damit zu tun. Aber Greg – konnte er bei so etwas wirklich mitmachen?
Dies ist unsere Nacht , hatte er ihr erklärt, als der Vorhang fiel.
Pssst , hatte er später gesagt.
Wann war das? Und wann hatte er ihr gesagt, still zu sein?
Auf der Party, erinnerte Megan sich, und die Szene nahm Gestalt an: Lonny Reynolds Wohnzimmer, die Musik, Tanzen und Trinken. Der wütende Wortwechsel mit Joey, nach dem sie und Greg nach oben gegangen waren. Das Elternschlafzimmer mit dem Doppelbett und den Seidenkissen. Die Berührung von Gregs Lippen, der Biergeschmack auf seiner Zunge, seine Hände auf ihren nackten Brüsten. Ihr geistloses Geplapper und sein Psst . Sie hatte die Tür hinter sich ins Schloss fallen und ihn alleine zurückgelassen.
Genauso saß sie jetzt auch da.
War das seine Art von Revanche?
Ja, er war wütend gewesen, kein Zweifel. Er hatte für den Abend offenbar große Pläne, unsere Nacht, hatte er gesagt – war es immer noch dieselbe? -, und sie hatte diesen Plänen einen Dämpfer verpasst. Mehr als das, sie hatte alles kaputtgemacht. Sie hatte von den Termiten ihrer Tante geredet, Herrgott noch mal. Kein Wunder, dass er ihr gesagt hatte, sie solle still sein. Sie hatte versucht, ihm zu erklären, dass sie noch nicht so weit war. Und er hatte sie als Schwanzfopper beschimpft und aufgefordert, das nächste Mädchen in der Reihe reinzuschicken.
Sie war aus dem Zimmer gerannt, aus dem Haus, die Straße hinunter.
Und was dann?
Was war als Nächstes passiert?
Die Straßen waren unmerklich ineinanderübergegangen. Beim Rennen hatte sie die ganze Zeit auf Gregs Schritte hinter sich gelauscht, hatte darauf gewartet, dass er sie an der Schulter fasste oder anflehte, stehen zu bleiben und zu warten. Es tut mir leid , konnte sie ihn sagen hören. Ich habe das alles nicht so gemeint .
Und dann war tatsächlich jemand hinter ihr, flüsterte ihren Namen, und sie drehte sich um, unendlich erleichtert, dass er da war und sie nicht mehr weglaufen musste, und dann …
Und was dann?
Was?
Und dann – nichts.
Eine blasse Erinnerung daran – oder war es nur ihre Einbildung -, dass jemand ihr etwas ins Gesicht gedrückt hatte und übel riechende Dämpfe in ihre Nase gestiegen waren, bevor alles schwarz geworden war. War das wirklich passiert?
Wie war sie hierhergekommen?
Wo war sie?
Megan ließ sich wieder auf die Pritsche sinken, nahm einen weiteren Schluck Wasser und stellte die Flasche auf den Boden. Wenn sie zu viel trank, müsste sie zur Toilette – ihre Blase zwickte schon jetzt spürbar -, doch egal wie stark der Drang ihrer Blase oder wie schmerzhaft ihre Bauchkrämpfe werden würden, sie würde diesen blöden Eimer auf keinen Fall benutzen. Diese Befriedigung würde sie ihnen nicht gönnen – wer immer sie waren, Joey, Tanya, Ginger und Greg; nein, bitte nicht Greg. Deshalb war es besser, nicht zu schreien, denn je mehr sie ihre Stimme in diesem feuchten, stickigen, heißen, kleinen Raum anstrengte, desto durstiger würde sie werden und desto mehr würde sie trinken... Nein, genug. Sie würde sich nicht verrückt machen. Und wozu auch? Zur Belustigung von ein paar perversen Schwachköpfen?
Gott sei Dank war Lianas Mörder gefunden worden. Gott
sei Dank war Cal Hamilton verhaftet und wartete in Untersuchungshaft auf seinen Prozess. Sonst würde sie wirklich wahnsinnig werden. Sie käme auf die unmöglichsten und verrücktesten Gedanken. Gedanken an sadistische Serienmörder, die ihre Opfer vergewaltigten, folterten und quälten. Ihnen mit einem Schuss das halbe Gesicht wegpusteten. Die ihre Leichen tagelang in schlangenverseuchten Sümpfen liegen ließen, auf dass Insekten und Alligatoren sich an den Überresten ihrer Körper weideten.
Und dann kamen Megan unwillkürlich die Tränen, als sie sich das besorgte Gesicht ihrer Mutter vorstellte. Sie wischte sie eilig ab. Die werden mich nicht weinen sehen, dachte sie entschlossen. Ihr könnt mich mal, Joey, Ginger und Tanya. Und du kannst mich auch mal, Greg. Ihr könnt mich alle mal.
Es ist bloß so leicht, sich in solchen Momenten zu verlieren.
Ich geh schon nicht verloren.
Versprochen?
Aber nun war genau das geschehen. Sie war verloren gegangen. Und wenn man nicht wusste, wie spät es war, waren alle Momente irgendwie gleich. Und wenn sie nicht Nein gesagt, sondern sich stattdessen in dem Moment verloren hätte, wäre sie jetzt nicht hier. Auf eine verdrehte Art war das also alles die Schuld ihrer Mutter.
Du
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