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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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in Torrance ein offenes Geheimnis gewesen war. Kerri hatte ein paar unsubtile Andeutungen fallen lassen – dass sie Männer in Uniform mochte und sich keine Sorgen mehr um Strafzettel wegen Falschparkens machen müsse -, mehr aber auch nicht.
Wenn Sheriff Weber zu ihnen gekommen war, hatte ihre Mutter stets einen offiziellen Grund erfunden. Delilah hatte sie nie zur Rede gestellt, selbst nachdem die Kids in der Schule begannen, kaum verschleierte Anspielungen zu machen, und ihre Großmutter spitz die Frage stellte, warum sie erst das ganze Geld für die Schönheitsoperationen ihrer Tochter hatte aufbringen müssen, wenn die dumme Gans sich nun einem verheirateten Mann an den Hals warf. Da für Kerri jedoch gutes Aussehen wichtiger als Glück in der Liebe war, war ihre Affäre mit John Weber auch zu einem schnellen Ende gekommen. Kurz darauf war sie nach Miami aufgebrochen, um sich ihre bereits vergrößerten Lippen erneut »aufspritzen« zu lassen.
    Delilah hatte längst den Überblick über all die Operationen verloren, die ihre Mutter im Laufe der Jahre über sich hatte ergehen lassen. Wenn sie nicht einschlafen konnte, versuchte sie manchmal, sie aufzulisten – ihre eigene moderne Version von Schäfchenzählen. Neben der regelmäßigen Faltenbehandlung mit Botox und Restylan fielen Delilah noch die Nasenkorrektur ein, die Stirnstraffung, die Bauchstraffung, das Fettabsaugen an den Hüften, die Entfernung der Tränensäcke, die Lidplastik, die zweifache Brustvergrößerung – nach dem ersten Mal war Kerri ihr Busen noch nicht groß genug gewesen – und das Facelifting. Das Facelifting war das Schlimmste von allen, weil ihre Mutter bei der Rückkehr aus der Klinik ausgesehen hatte, als wäre sie von einem Laster überfahren worden. Ihr Gesicht war mit Blutergüssen übersät, die jedoch nach einiger Zeit wieder abgeschwollen waren, sodass Kerri anschließend einigermaßen normal aussah. Was immer das bedeutete, da die Wörter normal und Kerri Franklin in einem Satz gewissermaßen ein Oxymoron bildeten. Wenn das der richtige Fachbegriff war. Delilah nahm sich vor, Mrs. Crosbie danach zu fragen.
    Delilah mochte Mrs. Crosbie. Sie war nicht nur eine gute Lehrerin und ein gütiger Mensch, sie sah auch so aus, wie
Mütter aussehen sollten. Es war traurig, aber wahr: Delilah konnte sich kaum noch daran erinnern, wie ihre Mutter ursprünglich ausgesehen hatte. Die von Natur aus schöne junge Blondine, die auf alten Familienfotos stolz ihr neues Baby präsentierte, war ihr vollkommen fremd.
    Delilah liebte es, durch alte Fotoalben zu blättern, so sehr wie ihr Mutter und ihre Großmutter es hassten. Sie fand es lustig, wie ihre Großmutter am Strand gebieterisch auf ihrem Liegestuhl saß wie auf einem Thron, die fleischigen Knie fast bis ans Kinn gezogen. Sie lachte über die Kaspereien ihres Großvaters mit dem großen Strohhut ihrer Großmutter und betrachtete wehmütig Kerri und ihre beiden Schwestern, die fröhlich in den Wellen planschten.
    Jetzt war ihr Großvater tot, genau wie Lorraine, die älteste Schwester ihrer Mutter. Die zweite ältere Schwester Ruthie war nach Kalifornien gezogen und meldete sich nur höchst sporadisch. Womit nur noch sie drei übrig waren – Delilah, ihre Mutter und ihre Großmutter. Die unheilige Dreifaltigkeit, wie ihre Mutter sie scherzhaft nannte. Wo war ihre Mutter überhaupt?
    »Kerri, bist du das?«, rief ihre Großmutter aus dem Wohnzimmer.
    »Nein, Grandma Rose. Ich bin’s.«
    »Oh.«
    Die Enttäuschung in der Stimme ihrer Großmutter ließ sich nicht überhören, und im Grunde genommen hatte sie ohnehin nie versucht, ihr Missvergnügen über ihre einzige Enkelin zu kaschieren. Delilah betrat das vollgestopfte Wohnzimmer. Es war schwer zu sagen, womit es im Einzelnen vollgestopft war. Es lagen keine Bücher oder alte Zeitungen herum – weder ihre Mutter noch ihre Großmutter lasen je irgendetwas anderes als Modezeitschriften -, und der Raum war auch gewiss sauber und aufgeräumt. Er war bloß voller Krimskrams . Überall lagen Spitzendeckchen – auf dem braunen Sofa, dem braunen Ledersessel, dem Fernseher und den
Beistelltischchen auf beiden Seiten des Sofas. Auf dem gläsernen Couchtisch in der Mitte des Zimmers lag die jüngste Ausgabe der Vogue auf einem Stapel von In Shape -Heften. In einer Ecke des Raumes stand ein Mahagonischrank mit Glastüren neben einer alten Standuhr, die seit Jahren nicht mehr ging. In dem Schrank wurden ein grün- und pinkfarbenes Geschirr aus

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