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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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noch weiter auf, sodass ihre Wangen regelrecht eingefallen wirkten.
    »Es wird ein weiteres Mädchen vermisst«, fuhr Pauline fort, ohne den Protest ihres Mannes zu beachten.
    »Was?«
    »Okay, das bleibt unter uns«, erklärte John entschlossen. »Ihr dürft mit niemandem darüber reden. Habt ihr mich verstanden?« Aber schon als er die Worte aussprach, ahnte er, dass es hoffnungslos war. Er konnte Pauline schon am Telefon mit ihren Freundinnen tratschen hören und sah die E-Mails, die Amber bald ins Netz stellen würde.
    »Selbstverständlich«, erwiderten Pauline und Amber im Chor. » Oui . Okay.«
    »Zum jetzigen Zeitpunkt ist es lediglich eine Theorie. Es bringt nichts, die Leute verrückt zu machen«, sagte er. »Aber bis wir den Kerl schnappen, möchte ich nicht, dass du alleine irgendwo hingehst. Ist das klar?«
    »Was, wenn ihr ihn nicht findet?«, fragte Amber.
    John schüttelte den Kopf. Darauf hatte er keine Antwort. »Tu mir einfach den Gefallen und sei besonders vorsichtig, okay?«
    Amber nickte.
    »Wenn du nicht in der Schule bist, bist du zu Hause. Ich fahre dich zur Schule, und Mom holt dich ab.«
    »Was?«, fragte Pauline.
    »Am Montag ist Vorsingen für die Musicalaufführung«, protestierte Amber. »Dieses Jahr spielen sie Kiss Me, Kate , und Mr. Lipsman möchte mich vielleicht für die Rolle von Kates Schwester Bianca haben.«
    »Also gut«, sagte John nach einem Nicken seiner Frau. »So lange du nicht alleine bist. Und ruf an, wenn die Probe zu Ende ist, damit dich jemand abholt.«
    Amber willigte achselzuckend ein.
    »Und iss was«, hörte John sich sagen. »Du wiegst ja kaum
noch etwas, Herrgott noch mal. Wenn dich jemand schnappen würde, hättest du keine Chance.«
    Sie verdrehte ihre riesigen grünen Kulleraugen zur Decke.
    »Dein Vater hat etwas von McDonald’s mitgebracht«, sagte Pauline, und John war eigenartig dankbar für ihre Unterstützung.
    Amber starrte ihre Eltern an, als hätten sich beide unvermittelt aller Kleider entledigt und ständen jetzt splitternackt vor ihr. Sie sah jedenfalls entsprechend entsetzt aus.
    »Ein Big Mac, mehrere McChicken und Pommes«, fuhr John dessen ungeachtet fort.
    »Willst du mich verarschen?«
    »Sehe ich so aus?«
    »Ich esse kein Fleisch. Das weißt du doch.«
    »Dann iss die Pommes.«
    »Ich esse nichts Frittiertes oder Gebratenes.«
    »Was genau isst du überhaupt?«, knurrte ihr Vater wütend.
    »John«, warnte Pauline.
    »Alles Mögliche.«
    »Was zum Beispiel? Was ?«, wollte er wissen, obwohl er wusste, dass dies die völlig falsche Reaktion war. Rita Hensen, die Schulkrankenschwester, die er konsultiert hatte, als Ambers Gewicht auf einen gefährlichen Tiefststand gefallen war, hatte ihm erklärt, dass Essstörungen praktisch nur dann behandelbar waren, wenn das Mädchen selbst bereit war, etwas daran zu ändern, und selbst dann würde sie das Problem vermutlich ihr Leben lang begleiten. Sie anzuschreien, war sinnlos. Die Gesellschaft hatte bereits ganze Arbeit geleistet, dem Mädchen einzutrichtern, dass die Traumfrau von heute aussah wie ein Knabe kurz vor der Pubertät.
    Und dann gab es die Frauen am anderen Ende der Skala, dachte John. Frauen wie Kerri Franklin, die nicht wie echte Menschen, sondern eher wie Plastikpuppen aussahen.
    Obwohl er zugeben musste, dass er gern hinguckte.

    Was war bloß los mit allen?
    Seit wann kam auszusehen wie eine echte Frau als mögliche Alternative gar nicht mehr vor?
    »Ich will diese Diskussion nicht führen«, sagte Amber, legte sich hin und zog sich die Decke über den Kopf.
    »Amber...«
    »John«, ermahnte seine Frau ihn. »Lass gut sein.« Behutsam schob sie ihn aus dem Zimmer.
    John begriff, dass ihr Gewicht das Einzige war, was Amber glaubte kontrollieren zu können. Die Welt war ein großer und schrecklicher Ort, vor allem für Mädchen auf der Schwelle zum Frausein.
    Und wie sollte er widersprechen, nach dem, was Liana Martin passiert war?

10
    » I ch habe gehört, dass Sie derjenige waren, der Lianas Leiche gefunden hat«, sagte Delilah, als Cal Hamilton sie in den abgedunkelten Bungalow bat. Draußen war es ein warmer und sonniger Nachmittag – der wärmste Samstag in diesem Monat, wie der Sprecher im Autoradio auf der Fahrt erklärt hatte -, aber in dem auf eisige Temperaturen klimatisierten Haus hätte es ebenso gut tiefste Nacht sein können. Jedenfalls kam es Delilah so vor, die eine Weile brauchte, bis ihre Augen sich an den dramatischen Lichtwechsel gewöhnt hatten. Sie spürte

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