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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Totenwache gehen, die einige der Jugendlichen für Liana organisiert hatten und zu der Eltern definitiv nicht eingeladen waren. Gott sei Dank, dachte Sandy. Der Gedenkgottesdienst am Mittwoch war schon anstrengend genug gewesen, und Sandy bekam sowohl in der Schule als auch zu Hause mit, wie Lianas grausamer Tod verarbeitet werden musste. Das ganze Ausagieren der Gefühle: Wut, Tränen, Frustration. Ohnmacht, die sich als Rastlosigkeit verkleidete. Eigensinnigkeit, die sich in Lärm Luft machte. So viel Lärm.
    Sandy wusste, dass es egoistisch war, aber sie hatte genug von all der Teenager-Angst. Sie hatte genug eigene Ängste und keine Antworten auf ihre Fragen. Sie wusste nicht, warum so etwas geschah und ob oder wann es wieder geschehen könnte. Sie wusste gar nichts. Sie wusste nur, dass sie eine Pause brauchte, eine Auszeit von Trauer und Angst, selbst wenn sie dafür an den Atlantischen Ozean fahren musste. Außerdem hatten sie und Rita nicht vor, die ganze Nacht wegzubleiben. Sie wollten vor Mitternacht wieder in Torrance sein, wenn auch Megan und Tim spätestens zu Hause sein sollten. Es gab also keinen Grund zur Sorge oder einem schlechten Gewissen.
    Aber Sandy machte sich Sorgen und hatte ein verdammt schlechtes Gewissen. Noch am späten Nachmittag hatte sie Rita angerufen, um ihr zu sagen, dass sie doch nicht mit nach Fort Lauderdale kommen würde. Und dann hatte Ian sich gemeldet und vorgeschlagen, dass sie sich in der nächsten Woche treffen und in Ruhe reden sollten. Worauf sie (erneut – wie blöd konnte man nur sein?) angenommen hatte, dass er endlich zur Vernunft gekommen war, erkannt hatte, was für ein Idiot er gewesen war ( sie war der Idiot) und mit ihr über seine Rückkehr sprechen wollte. Sie legte sich im Kopf bereits ihre wohlgesetzten Worte zurecht – er hätte sie sehr verletzt, und sie könnten natürlich nicht einfach zu dem Leben
zurückkehren, das sie vorher geführt hatten, weil es offensichtlich eine Reihe von wichtigen Fragen gab, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten, weshalb eine Partnerberatung bestimmt hilfreich wäre. Doch in dem Moment fügte er hinzu, er hoffte auf eine möglichst gütliche Scheidung (gab es im gesamten Universum einen größeren Idioten als sie?), worauf sie wortlos aufgelegt hatte. Dann hatte sie Rita zurückgerufen und erklärt, dass sie es sich anders überlegt hatte, und hier standen sie nun, in der neuesten, angesagtesten Bar von Fort Lauderdale, wo sich der Geruch von Bier und Whiskey mit dem von Sand und Meer mischte. Sie waren nicht nur mit zehn Jahren Abstand die ältesten Frauen in dem Lokal, sondern auch hoffnungslos overdressed. Wer trug heutzutage noch ein seidenes Cocktailkleid in einer Bar, fragte Sandy sich, als sie feststellte, dass jedes andere weibliche Wesen in dem Raum eng und tief sitzende Jeans trug, die ihre nackte schlanke Bauchpartie betonten. Natürlich war jedes andere weibliche Wesen im Raum unter dreißig, hatte nie Kinder geboren, trug Größe sechsunddreißig und gefährlich hohe Sandaletten mit Pfennigabsatz sowie durchsichtige Tops, die schockierend tiefe Einblicke erlaubten. Das einzig Schockierende an ihrem eigenen Ausschnitt, dachte Sandy und knöpfte den obersten Knopf ihres rot-weiß gemusterten Kleids zu, war die Tatsache, dass sie es überhaupt in Erwägung gezogen hatte, ihn zu zeigen.
    »Schau dich an – du siehst fantastisch aus!«, hatte Rita vielleicht ein wenig zu enthusiastisch gerufen, als sie Sandy abgeholt hatte.
    Sandy tat das Kompliment mit einer Handbewegung ab. Vielleicht war sie einigermaßen vorzeigbar.
    »Absolut umwerfend«, beteuerte Rita, sehr zu Sandys Unbehagen.
    »Ich sehe nicht fantastisch aus. Eher verhuscht, faltig und flachbrüstig.«
    »Wow, das sind aber eine Menge F-Wörter.«

    »Willst du noch eins hören?«, fragte Sandy mit einem süßen Lächeln.
    Rita tätschelte ihren frisch frisierten, braunen Bubikopf und blinzelte mehrmals, als wäre es bei all der Wimperntusche eine echte Anstrengung, die Augen offen zu halten. »Los. Unsere Prinzen warten. Auf in den Kampf.«
    Jetzt hatte die Show also begonnen, und die Prinzen verpassten ihren Auftritt. Kaum überraschend. Sandy näherte sich dem Tresen von Miss Molly’s Ocean Bar and Grill und straffte die Schultern, als sie sich einer Gruppe von Männern in ihrem Alter näherte. Vielleicht sah sie doch nicht so übel aus. Kaum fantastisch, aber auf jeden Fall vorzeigbar – vielleicht. Lächelnd ging sie an dem Quartett an der

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