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Nur Der Tod Kann Dich Retten

Titel: Nur Der Tod Kann Dich Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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nicht?«
    »Was ist mit Greg Watt?«
    »Wer? Was? Watt ?«, fragte Tim und lachte laut. »Tut mir leid. Ist mir so rausgerutscht.«
    »Tim, ich schwöre...«
    »Nein, tu das nicht. Das würde Greg vielleicht nicht gerne hören.«
    »Wo kommt das jetzt her?«
    »Soll das ein Witz sein? Woher nicht?«
    Megan wurde ganz flau im Magen. »Steht es im Netz?«
    »Ich hab beim Anziehen meinen Computer angemacht und meinen Augen kaum getraut.«
    Deshalb hatte er so lange gebraucht, und es erklärte auch die Seitenblicke, als er sich die Haare gestylt hatte.
    »Herzlichen Glückwunsch. Du bist berühmt«, fuhr Tim fort. »Offenbar habt ihr beide bei dem Vorsingen eine ziemliche Show geboten. Und ich meine jetzt nicht auf der Bühne.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Dann stimmt es also? Du hast also wirklich mit diesem Schwachkopf von einem Muskelprotz rumgemacht?«

    »Nein, natürlich nicht. Und er ist kein Schwachkopf.«
    »Er ist die Mutter aller Schwachköpfe. Wahrscheinlich hat er die Story selbst ins Netz gestellt. Hast du ihn wirklich an deinen Fingern lutschen lassen?«
    »Oh Scheiße.« Megan begann sich im Kreis zu drehen, hin und her gerissen zwischen Weitergehen und Umkehren. »Untersteh dich, Mom etwas davon zu sagen.«
    »Was sollte ich denn zu ihr sagen? Dass du mich angebettelt hast, zur Totenwache eines Mädchens zu gehen, das ich nicht leiden konnte, damit du mit einem Arschloch zusammen sein kannst, das sie nicht leiden kann?«
    »Ich habe nicht gebettelt, wir haben nicht rumgemacht, und was soll das heißen, du konntest Liana nicht leiden?«, fragte Megan, um von Greg abzulenken. »Seit wann?«
    Wieder zuckte Tim die Schultern. »Schon immer.«
    »Warum konntest du Liana nicht leiden?«
    »Weil sie kein besonders netter Mensch war.«
    »Zu mir war sie nett.«
    »Nun ja, da gehörst du zu einer Minderheit, glaub mir.«
    »Ich glaube dir nicht «, widersprach Megan entschieden und wies auf die große Ansammlung von Jugendlichen. »Alle haben Liana gemocht. All diese Menschen sind hier, um ihr die letzte Ehre zu erweisen.«
    »Sie sind hier, weil in der Stadt sonst nichts los ist. Wohin sollten sie gehen? Partytime nennt man so was, Megan. Wir sind hier, um zu singen, zu tanzen, zu saufen und zu kiffen.«
    »Deswegen bist du vielleicht hier«, protestierte Megan, obwohl sie es sich nur schwer vorstellen konnte, dass Tim irgendeins dieser Dinge tat. Andererseits bekam sie langsam das Gefühl, dass sie ihren Bruder gar nicht so gut kannte. Er hatte sich verändert, seit ihr Vater ausgezogen war. »Aber deswegen bin ich nicht hier.«
    »Nein, du bist hier, um Greg Watt zu treffen.«
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Wirklich? Das erklärst du ihm wohl besser selbst.«

    »Was?« Megan fuhr herum. Greg kam über die Straße auf sie zu. Er trug ein zu großes schwarz-orangefarbenes Football-Trikot, und seine breiten Schultern bewegten sich im Rhythmus mit seinen wiegenden Hüften. Sein selbstzufriedenes Grinsen grenzte ans Debile. Warum nur fand sie ihn so verdammt klasse?
    »Da ist ja meine Kate«, sagte er und nahm sie in die Arme. »Hallo, Wichser«, sagte er zu Tim, bevor er Megan mühelos hochhob und über seine Schulter warf. »Tschüss, Wichser.«
    Megan quiekte halb entsetzt, halb entzückt und trommelte auf Gregs Rücken, während ihr Pferdeschwanz beinahe über den Boden schleifte. »Wir treffen uns hier um Viertel vor zwölf«, rief sie Tim zu, während Greg über die Straße in den Park stapfte. »Lass mich runter, Greg«, kreischte sie, aber ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren nicht sehr überzeugend.
    »Still, da oben«, sagte er, bevor er brüllte: »Macht Platz für Petruchio und seine Frau.«
    Megan hörte auf, sich zu wehren. Es war zwecklos. Alles Protestieren würde Gregs frisch entfachte theatralische Leidenschaft nur weiterschüren. Und so sehr sie sich anstrengte, wütend auf ihn zu sein – hatte er die Story über sie ins Netz gestellt? -, fand sie seine Mätzchen doch irgendwie charmant, ja sogar aufregend. Noch nie hatte sie jemand hochgehoben und über die Schulter geworfen. Noch nie hatte jemand sie seine »Frau« genannt und war mit ihr herumstolziert, damit jeder es sehen konnte. Denn natürlich wurden sie von allen beobachtet. Und auch wenn ihr Verhalten unter den gegebenen Umständen vielleicht nicht direkt angemessen war, schien niemand Anstoß daran zu nehmen. Es war schließlich eine Totenwache und keine Beerdigung. Sie waren hier, um zu feiern, und nicht, um zu trauern.

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