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Nur der Tod sühnt deine Schuld

Nur der Tod sühnt deine Schuld

Titel: Nur der Tod sühnt deine Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Cassidy
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festhalten, bis das Zittern aufhörte. Aber bevor sie den Gedanken in die Tat umsetzen konnte, öffnete Molly die Augen und begann zu schreiben.
    Ich kann mich nicht erinnern.
Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange.
    »Hat deine Mommy mit der Person geredet, die an der Tür war?«, fragte Tolliver. Schnell und unregelmäßig atmend, tippte Molly mit dem Finger auf die Worte, die sie gerade geschrieben hatte.
    »Molly, hast du die Person gehört oder gesehen, die deiner Mommy weh getan hat?«
    Molly schob Tolliver den Notizblock zu, sprang auf und rannte in ihr Zimmer. Haley war schon halb aufgestanden, um ihr nachzulaufen, überlegte es sich dann aber anders und sank zurück auf ihren Stuhl. Sie würde Molly ein bisschen Zeit lassen und dann erst versuchen, mit ihr zu sprechen, sie zu trösten.
    »Mit ihr kommen wir nicht weiter«, sagte Tolliver. Seine Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen. »Ich glaube, sie weiß etwas, was uns helfen könnte, aber sie ist zu traumatisiert, um sich damit zu konfrontieren. Und ich will sie nicht noch mehr drängen, ohne dass Dr.Tredwell dabei ist.«
    »Und was wollen Sie jetzt machen?«, fragte Haley.
    Die Ringe unter Tollivers Augen schienen noch dunkler geworden zu sein. »Wir fangen noch mal ganz von vorne an«, sagte er müde. »Wir sehen uns das Leben Ihrer Schwester und das von Sondra Jackson genau an. Vergleichen die Tatorte, suchen nach irgendetwas, was uns weiterführen könnte.«
    »Hat der Mörder Fingerabdrücke oder Haare oder so was in Sondra Jacksons Haus hinterlassen?«, fragte Haley.
    »Nein, der Tatort war ungewöhnlich sauber, genau wie bei Ihrer Schwester.«
    »Und was sagt Ihnen das?«, fragte Haley neugierig.
    Tolliver rieb sich das Kinn. Graue Bartstoppeln verrieten, wie lang sein Tag schon war. »Dass der Mörder intelligent ist und sich mit Spurenbeseitigung auskennt.«
    »Aber das lässt nicht auf jemand Speziellen schließen?«, erkundigte sich Haley.
    »Leider nein.« Tolliver stand vom Tisch auf, und Haley begleitete ihn zur Tür. Er warf einen Blick durch den Flur. »Wird sie es verkraften?«
    »Das hoffe ich«, erwiderte Haley.
    Als Tolliver sich verabschiedet hatte, ging Haley zu Molly ins Zimmer. Wie immer, wenn sie aufgeregt war, saß Molly auf dem Bett, ihren Plüschlöwen im Arm.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Haley.
    Molly sah ihre Tante nicht an, sondern zog ihre Schultasche näher zu sich heran, holte ein Heft und einen Stift heraus und begann zu schreiben. Als sie fertig war, gab sie Haley das Heft.
    Warum hast du Angst vor dem Baumhaus?
    Haley starrte auf das Papier. Ja, warum eigentlich? Gute Frage. Sie legte das Heft zur Seite und setzte sich neben Molly aufs Bett. »Ich weiß nicht genau«, sagte sie. Molly sah sie missbilligend an.
    »Ich will mich nicht vor einer Antwort drücken, Molly. Wusstest du, dass mein Vater, also dein Großvater, das Baumhaus gebaut hat? Damals war ich zehn Jahre alt. Ich habe ihm dabei geholfen.« Haley starrte auf die gegenüberliegende Wand, während wunderschöne Erinnerungen in ihr aufstiegen.
    Der typische Geruch von Sägemehl, die kräftige, warme Hand ihres Vaters, die sich auf ihre legte, als sie eine Sperrholzplatte abschmirgelte.
So ist es richtig, Haley, schön glatt schmirgeln.
    Doch mit den Erinnerungen kam auch der Schmerz, der die Gedanken an ihren Vater immer begleitete. »Wir haben das Baumhaus zusammen gebaut, und als es fertig war, haben dein Großvater und ich drei Tage lang die meiste Zeit dort oben verbracht. Wir haben geredet und gelacht, und ich dachte, dass mein Leben nicht schöner sein könnte. Dann, eines Abends, ging mein Vater schlafen und wachte nicht mehr auf.«
    Haley merkte, dass Molly sie beobachtete, als wäre sie ein besonders interessantes Insekt. »Nachdem mein Vater gestorben war, habe ich versucht, wieder zum Baumhaus hochzuklettern, aber ich konnte es nicht. Ich schaffte eine oder zwei Sprossen, und dann hatte ich auf einmal so große Angst, dass ich dachte, ich würde sterben. Ich kriegte keine Luft mehr, und mein Herz schlug so schnell, als wollte es mir aus der Brust springen.«
    Haley schloss die Augen und atmete tief ein, um der Beklemmung Herr zu werden, die sie allein bei dem Gedanken an die Leiter erfasste. »Seitdem habe ich es immer wieder versucht, aber ich schaffe es nicht. Ich weiß auch nicht warum, es geht einfach nicht.«
    Mollys kleine Hand legte sich auf ihre. Haley öffnete die Augen, und als ihre Blicke sich trafen, sah sie in Mollys Augen

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