Nur der Tod sühnt deine Schuld
nicht verschwunden, sondern hatte sich lediglich tief in ihr Inneres zurückgezogen.
Das Chaos, das das Feuer angerichtet hatte, ignorierte Haley geflissentlich. Sie goss sich einen Kaffee ein, setzte sich damit an den Tisch und legte die Hände um die warme Tasse. Immer noch fiel es ihr schwer zu begreifen, was passiert war. Selbst jetzt, da sie hier saß und den Herd anstarrte, konnte sie es nicht glauben.
Wer konnte so etwas getan haben? Wer konnte so böse sein? Haleys Blick wanderte zum Küchenfenster, durch das die kühle Nachtluft hereinwehte. War dort draußen jemand? Jemand, der sie beobachtete? Der sich ärgerte, dass sie rechtzeitig aufgewacht war und seinen tödlichen Plan vereitelt hatte?
Haley sprang vom Tisch auf und schloss hektisch das Fenster. Dann legte sie den Riegel vor und zog die Vorhänge zu. War die Person, die die Pfanne auf den Herd gestellt hatte, womöglich den Flur hinuntergeschlichen, um einen Blick auf Molly zu werfen, um zu sehen, dass Molly schlief? Wenn diese Person sie und Molly hatte umbringen wollen, warum hatte sie sie dann nicht einfach im Schlaf erstochen? Sie in ihren Betten erschlagen?
Weil es wie ein Unfall aussehen sollte. Es gab keine andere Erklärung. Jemand wollte, dass sie und Molly tot waren, wollte aber nicht, dass ihr Tod als Mord untersucht wurde.
Es klopfte an der Haustür, und Haley sprang auf, um Grey einzulassen. Erst jetzt, als er vor ihr stand, merkte sie, wie schutzlos sie sich fühlte, und sie warf sich in seine Arme, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte.
Er drückte sie an sich, und sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. Zum ersten Mal, seit das Feuer sie aus dem Schlaf gerissen hatte, war ihr nicht mehr kalt.
»Hey, was ist los?«, fragte er sanft.
»Jemand hat heute Nacht versucht, uns umzubringen.«
Grey fasste sie an den Oberarmen und schob sie ein Stück von sich weg, so dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. »Was reden Sie da?«
Haley führte ihn durchs Wohnzimmer und in die Küche. Dort erklärte sie ihm, was passiert war. Er starrte auf den Herd und das halb verbrannte Geschirrtuch. »Haben Sie die Polizei gerufen?«
»Ja. Ich habe Molly zu den Marcellis gebracht, dann ist die Polizei gekommen, und ich habe Anzeige erstattet.« Haley seufzte dankbar, als Grey wieder die Arme um sie legte.
Sie schloss die Augen und atmete seinen Körperduft ein, mit einem Hauch von würzigem Eau de Cologne. »Sie haben mir nicht geglaubt.«
Grey führte Haley zum Tisch. Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken, und er setzte sich ihr gegenüber. »Wie bitte? Sie haben Ihnen nicht geglaubt?«
Wieder stieg Frustration ihn ihr auf, als sie sich an das Verhalten der aufnehmenden Beamten erinnerte. »Sie dachten, ich hätte aus Versehen den Herd angelassen und wäre zu Bett gegangen. Sie dachten, es wäre nichts weiter als die Achtlosigkeit einer gestressten Frau.«
Haley sprang auf. Sie stand so unter Strom, dass sie unfähig war, still sitzen zu bleiben. »Herrgott noch mal, ich wünschte ja selbst, es wäre so gewesen. Aber als ich im Supermarkt war, habe ich Milch gekauft und das Brot vergessen. Ich habe Eier gekauft und den Bacon vergessen. Als ich aufgewacht bin, hat es nach gebratenem Bacon gerochen, nach heißem Speckfett, dabei hatte ich keine einzige Scheibe Speck im Haus.«
Haley wusste, dass sie ohne Punkt und Komma redete, aber Grey machte keinen Versuch, sie zu unterbrechen. Er schien zu spüren, dass sie sich Luft machen musste und jemanden brauchte, der ihr dabei zuhörte.
»Ich dachte, sie würden sich um Fingerabdrücke kümmern und Fotos machen, das hier wie einen … einen Tatort behandeln«, fuhr sie fort. »Es ist schließlich ein Tatort. Herrgott, man sollte doch wenigstens in seinem eigenen Haus sicher sein. Da öffnet deine Schwester die Tür und lässt ihren Mörder rein, und als Nächstes bricht jemand mitten in der Nacht ein und versucht, dich umzubringen.«
»Ist das da frischer Kaffee?«
Haley verstummte und starrte Grey ungläubig an. Sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, und der Mann wollte wissen, ob der Kaffee frisch war?
Was für ein unsensibler Arsch. Sie überlegte, ob sie den Kaffee in die Tasse oder Grey über den Kopf gießen sollte.
Erst als sie zur Kaffeemaschine marschierte, ging ihr auf, was Grey getan hatte. Er hatte sie mit einer einfachen Frage abgelenkt und damit den sich anbahnenden hysterischen Anfall eingedämmt.
Sie stellte die Kaffeetasse vor Grey hin und ließ sich wieder auf ihren
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