Nur der Tod sühnt deine Schuld
Stuhl fallen. »Sie sind offensichtlich ein sehr intelligenter Mann. Wenn auch vielleicht ein kleines bisschen hinterhältig.«
Grey nickte, als stimme er ihrer Einschätzung seines Charakters zu. »Was glauben Sie, wie der Eindringling ins Haus gekommen ist?«
»Ich weiß es nicht.« Haley runzelte nachdenklich die Stirn. Die Frage machte ihr zu schaffen. »Möglicherweise war ein Fenster nicht verriegelt. Entweder das, oder er hat einen Schlüssel.« Sie starrte zur Hintertür. »Wenn er einen Schlüssel für die Tür hier hat, konnte er problemlos ins Haus kommen, ohne dass ich etwas gehört hätte.«
»Wem könnte Ihre Schwester einen Schlüssel gegeben haben?«, fragte Grey.
»Ich weiß nicht. Bis gestern hätte ich gesagt, dass niemand einen hat. Monica hat lange Zeit allein gelebt, und sie war immer extrem vorsichtig. Aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Morgen früh rufe ich auf jeden Fall als Erstes einen Schlüsseldienst an und lasse die Türschlösser austauschen.«
»Gute Idee«, erwiderte Grey. Er trank einen Schluck Kaffee und sah Haley über den Rand der Tasse hinweg an. »Glauben Sie, es geht um Molly? Vielleicht ist der Mörder zurückgekommen, um dafür zu sorgen, dass sie dauerhaft schweigt.«
»Ich weiß es nicht. In der letzten halben Stunde bin ich jede Möglichkeit durchgegangen. Wenn nicht Molly das Ziel war, dann muss ich es gewesen sein. Mir fällt aber niemand ein, den ich in den knapp zwei Wochen, die ich hier bin, so wütend gemacht haben könnte, dass er mir den Tod wünscht. Außer Ihnen vielleicht, weil ich Sie mitten in der Nacht geweckt habe.«
Grey lächelte und stellte die Tasse zurück. »Ich bin froh, dass Sie mich angerufen haben.«
Sie hielt seinem Blick stand und fragte sich, was ihn für sie so vertrauenerweckend machte. Warum seine Gegenwart sie Mut fassen ließ. »Ich hatte Angst«, gab sie zu. »Angst, den Rest der Nacht hier allein zu bleiben. Ich habe mich noch nicht mal getraut zu duschen.« Selbst jetzt noch schnürte sich ihr beim Gedanken an das Geschehene vor Angst die Kehle zu.
»Dann gehen Sie doch jetzt unter die Dusche«, schlug er vor.
Zögernd sah sie ihn an. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen nichts ausmacht?« Sie fühlte sich schmutzig. Und das hatte nichts mit dem Mehl zu tun, das auf ihrer Kopfhaut juckte, oder dem Rauchgeruch, der ihrer Haut anhaftete.
»Ich bleibe so lange bei Ihnen, wie Sie mich brauchen, Haley. Gehen Sie duschen. Ich warte hier, bis Sie fertig sind.«
Ein paar Minuten später, als sie unter dem beinahe kochend heißen Wasserstrahl stand, versuchte sie erneut, sich einen Reim auf die Geschehnisse der Nacht zu machen. War das Motiv gewesen, Molly zu töten?
Das konnte eigentlich nicht sein. Der Mord an Monica lag zwei Wochen zurück, und wenn der Mörder tatsächlich Angst vor dem hatte, was Molly wusste, hätte er dann nicht schon früher versuchen müssen, sie zum Schweigen zu bringen? Warum sollte er so lange warten?
Und wenn es um sie selbst ging, wer könnte ein Interesse an ihrem Tod haben? Haley hatte keine Feinde, zumindest glaubte sie das. Plötzlich fiel ihr Grant Newton ein. War er es gewesen, der sie nach dem Elternabend auf dem Parkplatz fast überfahren hätte? Damals hatte sie in Newton nur einen ungeschickten Fahrer vermutet. Aber jetzt bekam der Vorfall ein anderes Gewicht.
Haley musste daran denken, wie sie am Abend die Pizza in Empfang genommen und das Gefühl hatte, Newton würde sie von seiner Veranda aus anstarren. Sein Blick hatte etwas Boshaftes gehabt, als würde der Mann ihr übelwollen.
Im Laufe der letzten Woche hatte sie mehrfach das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Ihr war eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen. Spionierte Grant Newton ihr etwa nach? Beobachtete er alles, was sie und Molly taten?
Aber warum sollte er überhaupt irgendwelche Gefühle, gute oder ungute, ihr gegenüber hegen? Er kannte sie doch gar nicht. Monica hatte er allerdings gekannt. Und Monica hatte Sondra Jackson gekannt. Gab es etwas im Leben ihrer Schwester, von dem sie nichts wusste?
Als Haley die Dusche abstellte, tat ihr der Kopf vor lauter Grübeln weh. Sie zog eine Jogginghose und ein Las-Vegas-T-Shirt an und ging zurück in die Küche.
Grey war nicht einfach am Tisch sitzen geblieben und hatte seinen Kaffee getrunken, sondern stand am Herd, die Ärmel hochgekrempelt und einen Scheuerschwamm in der Hand. »Grey, das müssen Sie nicht tun«, protestierte Haley.
Er fuhr herum, als er ihre
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