Nur die Liebe heilt
natürlich auch sein, dass Taryn ihre Worte mit voller Absicht ignoriert hatte.
„Er hat gesagt, dass er heute nicht kommen kann, weil er einen Termin mit seinen Anwälten hat. Morgen muss er vor Gericht, das weißt du doch.“
„Er sollte da sein.“
„Das findet er sicher auch. Trotz deiner schlechten Laune wäre er wahrscheinlich lieber hier, als sich mit Anwälten rumzuschlagen.“
„Ich hab keine … schlechte Laune.“ Taryn starrte sie düster an. „Therapie ist einfach … doof und langweilig. So wie Sie.“
Sie war bockig wie eine übermüdete Vierjährige, aber Evie schluckte einen entsprechenden Kommentar hinunter. „Das ist bitter.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Und ich dachte, wir hätten heute so viel Spaß zusammen gehabt. Tja. Und jetzt noch drei Bizeps-Curls.“
„Nichts macht Spaß. Ich hasse das!“ Mit mehr Kraft und Energie, als sie bisher an den Tag gelegt hatte, schleuderte Taryn die Hantel von sich. Evie konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Die Hantel traf sie seitlich am Gesicht, prallte auf ihre Schulter und knallte dann zu Boden.
Schmerz jagte durch ihren Körper, sie taumelte ein paar Schritte zurück. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie Jacques, der sich beschützend vor sie gestellt hatte, obwohl er Taryn sonst so anhimmelte.
„Hey!“
Sie hörte Brodies Stimme hinter sich, doch sie konnte sich nicht umdrehen.
„Sag, dass das ein Missgeschick war“, knurrte er an Taryn gewandt und tauchte dann in ihrem Gesichtsfeld auf. Noch immer konnte sie nur verschwommen sehen, ihr war schwindlig vor Schmerz.
„Therapie ist doof und langweilig.“ Taryn streckte das Kinn vor. „Ich hab’s so satt!“
Endlich bekam Evie wieder Luft, der erste stechende Schmerz wurde etwas stumpfer. Sie war sich nicht ganz sicher, was mehr wehtat, ihr Gesicht oder ihre Schulter. Das würde zweifellos ein paar hübsche Blutergüsse nach sich ziehen.
Wegen der Schulter machte sie sich keine großen Gedanken, aber die nächsten vier Tage auf dem Kunsthandwerksmarkt wollte sie wirklich nicht aussehen, als ob sie Weltmeisterin im Federgewicht geworden wäre.
Sie drückte kurz eine Hand auf die Wange und sah dann, dass ihre Finger blutig waren. Zwar war hatte die Hantel keine scharfen Kanten, doch das reine Gewicht musste ein Stück Haut an der Wange aufgerissen haben. Wenn sie Glück hatte, waren nicht auch noch ein paar Knochen gebrochen.
Nie zuvor hatte sie Brodie so zornig gesehen. Sein Gesicht war wutverzerrt, seineAugen funkelten. „Und wenn du es noch so langweilig findest“, fuhr er seine Tochter an, „hast du noch lange nicht das Recht, jemanden zu verletzten, der dir helfen will.“
„Sie ist gemein. Sie … quält mich. Ich hasse sie!“
Taryns Worte verletzten sie mehr als alles andere. Denn auch wenn sie niemals beste Freundinnen werden würden – was bei der Basis ihrer Beziehung nur normal war –, hatte sie sich doch eingebildet, inzwischen gut mit Taryn zurechtzukommen. Von den letzten beiden Tagen einmal abgesehen.
„Vor einem Monat noch konntest du weder aufstehen noch einen vollständigen Satz sprechen“, rief Brodie. „Und sieh dich jetzt an. Das alles hast du Evie zu verdanken.“
Evie trat einen Schritt vor. „Du hast wirklich hart dafür gearbeitet, Taryn. Das weiß dein Vater auch. Ich glaube, wir sind beide einfach erschöpft und brauchen mal eine Pause. Ich gehe heute sowieso früher, dann hast du ein langes Wochenende vor dir und kannst dich etwas ausruhen. Und am Dienstag nach dem Labor Day übernimmt sowieso Stephanie.“
„Ich hoffe … sie ist nicht auch so eine Zicke.“
„Halt jetzt den Mund. Auf der Stelle!“ Brodie starrte seine Tochter an. „Du magst Evie. Das hast du mir gestern Abend erst gesagt.“
„Ist schon gut“, versuchte Evie leise, ihn zu beschwichtigen. Keiner von den beiden sollte mitbekommen, wie tief gekränkt sie war.
„Nein, ist es nicht.“ Er wandte sich wieder an Taryn. „Du hast wirklich Schlimmes durchgemacht, Taryn, das wissen wir alle. Aber du kannst deine Wut nicht an anderen auslassen, vor allem nicht an jemandem, der dir nur zu helfen versucht. Du entschuldigst dich auf der Stelle – dafür, dass du Evie verletzt hast, und für deine Unhöflichkeit.“
Sie sah ihn trotzig an. „Oder was? Muss ich dann im Zimmer bleiben … ohne Freunde … und den ganzen Tag Therapie machen?“
Einen Moment lang schien Brodie nicht recht zu wissen, wie er reagieren sollte. Dann zog er die Augenbrauen zusammen.
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