Nur die Liebe heilt
Verlobten.
Paulo, ihr Freund vom College, war das komplette Gegenteil von ihr gewesen. Ein brillanter Wissenschaftler, der wahrscheinlich eines Tages das Heilmittel für allemöglichen Krankheiten entdecken würde. Ein leidenschaftlicher Italiener, der es liebte, raffinierte Gerichte zu kochen, tiefgründige philosophische Diskussionen zu führen und mit wilden Gesten seine Meinung über alles kundzutun, was ihn interessierte – egal, ob es um Tiere ging oder um Fellini-Filme.
Sie liebte ihn wirklich sehr – oder glaubte es zumindest. Im letzten Collegejahr beschlossen sie, zusammenzuziehen und eine gemeinsame Zukunft zu beginnen. Doch dann veränderte dieser schreckliche Brand einfach alles.
Sie fuhr sofort nach Hause, um ihrer Mutter und ihrer Schwester beizustehen, und die Liebe blieb auf der Strecke, weil sie Anrufe nicht annahm, E-Mails nicht beantwortete und Besuche in der letzten Sekunde absagte.
Paulo war nicht der Typ, der eine Beziehung einfach so dahinplätschern ließ, und deshalb stellte er Evie auf seine laute, leidenschaftliche Art zur Rede. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er nicht wählen können. Ihre Schwester lag im Sterben, ihre Mutter war noch immer schwer verletzt. Sie konnte einfach keine Geduld für seine dramatische Aktion aufbringen, was sie ihm auch unmissverständlich klarmachte.
Sechs Jahre später dann dasselbe Muster, dieses Mal mit ihrem Verlobten. Craig Anderson war Arzt in einer Reha-Klinik, sie liebten es, gemeinsam zu wandern und Mountainbike zu fahren, im Sommer gingen sie segeln, im Winter zum Skilanglauf. Es war einfach perfekt.
Doch drei Monate, bevor sie sich an ihrem Lieblingsstrand in Santa Barbara das Jawort geben wollten, hatte Meredith sie gebeten, Cassie zu adoptieren.
Craig war dagegen. Er konnte nicht begreifen, warum sie ihren Lebensstil, den sie sich beide so hart erarbeitet hatten, aufs Spiel setzen wollte. Warum sich ein schwer behindertes Kind aufbürden, das im Rollstuhl saß und rund um die Uhr gepflegt werden musste? Was würde aus ihren Wander- und Segeltouren werden?
Sie hörte ihm wortlos zu und musste ihm in einigen Punkten sogar recht geben. Aber sie konnte nicht zulassen, dass Cassie in eine Pflegefamilie kam. Zu oft hatte sie gesehen, wie solche Kinder hin und her geschoben wurden, bis sie schließlich in einem Heim landeten, wo überarbeitete Pfleger sich um sie kümmerten. Da sie Cassie liebte, konnte sie ihr so etwas nicht antun, schon gar nicht, wenn sie doch die finanziellen Mittel und die berufliche Qualifikation besaß, um ihr ein schönes Heim zu bieten.
Als sie sich weigerte, Cassie aufzugeben, stellte Craig sie vor die Wahl. Ein Leben mit ihm oder die Vormundschaft für Cassie. Ganz einfach. Und genauso einfach entschied sie sich für Cassie, ohne es auch nur einen Tag bereut zu haben.
Craig heiratete nur sechs Monate nach ihrer Trennung ein Mädchen, das er beim Bergsteigen kennengelernt hatte.
Manchmal wunderte Evie sich selbst, mit welcher Leichtigkeit sie diese beiden Trennungen verwunden hatte, und sie fragte sich, ob mit ihr etwas nicht stimmte. Ob es etwas gab, das sie davon abhielt, sich jemals mit ganzem Herzen auf einen Mann einzulassen.
Sie hatte schließlich Freunde, die sich leidenschaftlich liebten. Claire und Riley beispielsweise. Die Luft um sie herum erzitterte immer vor Glück, wenn die beiden zusammen waren. Evie beneidete sie insgeheim darum und fürchtete sich gleichzeitig davor. Doch wenn sie ganz ehrlich war, dann wollte sie ebenfalls von ganzem Herzen lieben und genauso wiedergeliebt werden. Warum also konnte sie sich einem Mann gegenüber nie ganz öffnen?
Ihre Mutter hatte ihren Vater auf diese Weise geliebt, allerdings war diese Liebe eher einseitig gewesen. Das Leben ihres Vaters hatte sich immer nur um seine Arbeit gedreht und nicht um seine Familie, und Evie hatte mit eigenen Augen mitansehenmüssen, wie ihre Mutter darunter litt. Nach dem Tod ihres Mannes verschloss sie sich vollkommen und überließ es Evie, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern.
Evie seufzte leise. Sie befürchtete, dass Brodie auf dem besten Weg war, ihren Widerstand zu brechen. Wahrscheinlich wehrte sie sich deshalb mit Händen und Füßen gegen ihn. Dabei hatte er sie doch nur zum Essen eingeladen und sie nicht etwa gebeten, bei ihm einzuziehen, Himmel noch mal. Was war schon dabei, mit ihm essen zu gehen?
Zwei ältere Damen – offensichtlich Schwestern – kamen zu ihrem Stand herübergeschlendert und ließen ihre
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