Nur die Liebe heilt
unerwünschten Besucher klarzumachen, dass er gern am nächsten Morgen wiederkommen könne.
Doch als sie die Frau vor dem Laden erkannte, verließ sie der Mut zu einer rüden Bemerkung – es war Laura Beaumont, Charlies Mutter. Sie tippte nicht direkt ungeduldig mit der Schuhspitze auf den Boden, stand aber offenbar kurz davor. Zaghaft öffnete Evie die Tür, und die Frau war bereits an ihr vorbei in den Laden gestürmt, bevor sie auch nur ein Wort hatte sagen können.
„Ich muss mit Ihnen reden.“ Die Frau des Bürgermeisters wirkte äußerst aufgeregt. Ihre sonst mit Unmengen Haarspray fixierte Frisur, die höchstens ein Tornado hätte zerzausen können, war zerwühlt, und der Lippenstift sah aus, als ob sie ihn in höchster Eile aufgetragen hätte.
„Aber sicher. Kommen Sie doch herein“, murrte Evie, dann setzte sie ein gezwungenes Lächeln auf.
„Ich wollte gerade um den Laden gehen und an Ihrer Wohnungstür klingeln, als ich gesehen habe, dass Sie noch arbeiten.“
„Ich muss heute Abend noch einige Aufträge erledigen.“ Sie hoffte, dass Mrs Beaumont den dezenten Hinweis verstand, doch Charlies Mutter ging ungerührt weiter in den Laden und hinterließ dabei die Duftfahne eines teuren, blumigen Parfüms. Selbst in ihrem derangierten Zustand wirkte sie noch elegant und kontrolliert. Laura besorgte ihre gesamte Garderobe in sehr teuren Boutiquen in Denver und wäre lieber tot umgefallen, als in Hope’s Crossing direkt einkaufen zu gehen, wie Evie wusste.
Laura steuerte auf die Werkbank zu, nahm das Schmuckstück in die Hand, das Evie zuvor beendet hatte – eine aufwändig gearbeitete Kette, für die sie eine alte Vier-Strang-Perlenkette umgearbeitet hatte.
„Gefällt mir. Ich habe das perfekte Kleid dazu. Wie viel?“
„Die ist nicht zu verkaufen. Es handelt sich um eine Auftragsarbeit.“
„Können Sie nicht noch eine zweite machen?“
„Ich fürchte, diese ist ein Einzelstück. Ich habe sie aus einem alten Schmuckstück einer Kundin gefertigt. Ich könnte sie also nicht noch einmal machen, selbst wenn ich es wollte.“
Laura zog ein Gesicht. „Aber etwas Ähnliches.“
„Vielleicht.“ Vielleicht auch nicht. Wenn es nach Evie ging, konnte Laura es auch gern selbst versuchen. Sie beteuerte doch immer, wie sehr sie das Schmuckmachen liebte, auch wenn sie die schwierige Arbeit immer den anderen überließ. „Was kann ich für Sie tun, Laura?“
Laura nahm ein paar übrig gebliebene blaue Perlen in die Hand und ließ sie durch die Finger rinnen. Mit einem Mal war von ihrer sonst so hochmütigen Art nichts mehr zu bemerken, ihre Augen wirkten seltsam verletzlich. „Ich möchte Sie um etwas bitten. Es geht nicht um mich, verstehen Sie, denn meinetwegen würde ich so etwas nicht von Ihnen verlangen. Es geht um Charlie.“
Evie versteifte sich. „Aha?“
„Er hat sich schuldig bekannt. Das wissen Sie, oder?“
„Ich habe davon gehört.“
Laura sank auf den Klappstuhl gegenüber der Werkbank. „Er darf nicht ins Gefängnis gehen. Das darf er einfach nicht! Er ist doch noch ein Junge.“ Dann hielt sie inne. Offenbar erwartete sie eine Reaktion auf ihren dramatischen Ausbruch.
„Tut mir leid“, sagte Evie schließlich. „Aber ich bin nicht sicher, was das mit mir zu tun hat.“
„Ich brauche Ihre Hilfe. Ich möchte, dass Sie eine Aussage machen. Dass Sie dem Gericht sagen, wie sehr er Ihnen mit dem Thorne-Mädchen geholfen hat.“
Ach Mist. Evie stieß den Atem aus. Ja, Charlie tat ihr leid. Egal, was er getan hatte, sie mochte den Jungen und fand es bemerkenswert, dass er sich hinstellte und gegen den Willen seiner Familie die Verantwortung übernehmen wollte. Aber deswegen musste sie nicht gleich vor Gericht Partei für ihn ergreifen. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Brodie darauf reagieren würde.
„Ich …“, begann sie und brach ab.
„Sie müssen es einfach tun“, beschwor Laura sie, doch in ihrer Bitte schwang gleichzeitig ein unüberhörbarer Unterton von Arroganz mit. „Er ist siebzehn Jahre alt. Und da er sich vor dem Erwachsenenstrafgericht schuldig bekannt hat, wird er in ein Erwachsenengefängnis kommen. Und das wird er nicht überleben! Wenn Sie sich für ihn einsetzen, wird das Gericht vielleicht mildernde Umstände anerkennen.“
Mildernde Umstände. Waren die in diesem Fall wirklich angebracht? Layla Parker war tot, und trotz der Fortschritte würde Taryn bis ans Ende ihres Lebens mit den Folgen des Unfalls zu kämpfen haben.
„Das kann
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