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Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)

Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition)

Titel: Nur die Nacht war Zeuge (Mord Azur) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lawrenz
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Mann, wie war er in diese kleine Agentur geraten? War er zu sensibel für große Agenturen, in denen die Überflieger zuhause sind und die
    Ellenbogen schon morgens ausgefahren werden?“
    „Smith, Henderson und Frau Marrais passten, was die Wellenlänge betrifft, also nicht recht zusammen?“
    Lionel wählte seine Worte überlegt. „Sender und Empfänger müssen aufeinander abgestimmt sein, ansonsten hört man nur das große Rauschen“, sagte er leise.
    „Ist Ihnen irgendetwas Besonderes hier aufgefallen?“ wechselte Irina Honig das Thema.
    Der junge Mann überlegte. „Ich wüsste nichts, was auch nur den geringsten Hinweis auf den Mord geben könnte. Nur eins war uns allen hier klar, das Gewitter braute sich kurz nach Julien Villepin Kündigung zusammen. Ich habe eine Strichliste gemacht, wie oft die Türen von Frau Marrais und Herrn Cabernet plötzlich geschlossen wurden. Türen, die vorher fast immer offen standen. In der Zeit von Ende März bis zum Weggang von Bernard, schlossen sich die eine oder andere Tür sage und schreibe 156 mal. Also mehrmals am Tag.“
    „Warum haben Sie das gezählt?“ Irina Honig lächelte halb amüsiert, halb verwirrt.
    “Ein Kollege bei der HDSG hatte mir geraten, darauf zu achten. Man braucht ja eine gewisse Zeit, eine neue Stelle zu finden. Kurz, er sagte, gehen die Türen bei den oberen Kreativen zu, dann wäre die Kacke am Dampfen. Entschuldigen Sie, ich zitiere wörtlich.“
    Das schrille Läuten des Telefons unterbrach das Gespräch. Lionel verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Er nahm den Apparat fest in die Hand, verstellte die Lautstärke der Klingel, bis sie ein zumutbares Geräusch von sich gab, dann nahm er den Hörer ab.
    Irina Honig verließ das kleine Büro und winkte Lionel zum Abschied zu.
     
     
     
    34.
     
    Pina Navaro führte Ken Bernstein und Irina Honig in das Konferenzzimmer und frage Harry Miller mit überraschender Lebendigkeit, ob er noch Wünsche hätte.
    „Danke, Pina-Darling“, säuselte Harry Miller und zog eilfertig zwei Stühle vom Konferenztisch, auf denen er die Ankommenden einlud, Platz zu nehmen. Paul Katz reichte seine warme, große Hand und goss danach allen eine Tasse Kaffee ein.
    Irina Honig betrachtete den agilen Harry Miller. Er erinnerte sie an einen englischen Schauspieler, den sie mochte, dessen Namen ihr aber nicht einfallen wollte. Genau wie er trug er das Haar zurückgekämmt, doch kleine, lustige Löckchen, die sich der Bürste widersetzt hatten, nahmen der Frisur die Strenge.
    Harry Millers unsteter Geist kam heute besonders stark zum Ausdruck. Er spielte mit einem Zuckerwürfel, dann strichen seine Finger über den Tassenrand, ergriffen danach den Kaffeelöffel, legten ihn wieder an seinen Platz und wischten über den Tisch. Er streckte seine Beine aus, nur um sie gleich wieder anzuziehen. War das, die viel zitierte Dynamik des Managers, der immer auf dem Sprung sein musste.
     
    Nachdem der Kaffee eingeschenkt war, eröffnete Harry Miller das Gespräch. Er fand bewegende Worte über den tragischen  Vorfall, die völlig unverständliche Tat. Paul Katz nickte bei jedem Satz und betrachtete seine großen Hände, die wie zum Gebet gefaltet, auf dem Konferenztisch ruhten. Nach Beendigung der einleitenden Worte seines Gegenübers griff er rasch zu einem Plätzchen auf dem Teller vor ihm und ließ es schnell in seinen sich kurz öffnenden Mund verschwinden, so wie ein Geldstück in eine Spardose verschwand. Um Verzeihung lächelnd, schob er dann den Teller mit den Plätzchen Irina Honig zu und zwinkerte mit seinen Teddybär-Augen. „Ausgezeichnet, nur nicht für die Linie“, kommentierte er die Plätzchen. Auch er verstand charmant zu lächeln.
     
    „Zunächst ein paar Fragen zum Privatleben des Piet Drachmanns“, eröffnete Ken Bernstein seine Befragung.
    Die Herren gaben sich perplex.
    „Hatte er eins?“ fragte Harry Miller mit hochgezogenen Augenbrauen. Ein leises Lächeln huschte über das Gesicht von Paul Katz.
    „Er hatte angeblich eine Freundin, eine Lehrerin, die sich vorübergehen in Toronto aufhält und dort Französisch unterrichtet.“
    Harry Miller hielt sein Gesicht zur Decke gewandt und blies runde Rauchwölkchen in die Luft. Er überlegte spielerisch wie ein unwilliges Kind. „Stimmt, jetzt wo Sie es sagen. Er erzählte einmal von einer Freundin. Sie aß Froschschenkel.“ Harry Millers Mund verzog sich vor Ekel, er verstand Menschen nicht, die Froschschenkel aßen. “Aber gezeigt hat er sie uns nie,

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