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Nur ein Augenblick des Gluecks Roman

Titel: Nur ein Augenblick des Gluecks Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dianne Dixon
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etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus.
    Er konnte sehen, dass sein Schweigen die Frau irritierte. Sie zog ihren Spaten ein Stück zurück, so als wolle sie gehen.
    »Ich war in der Lima Street«, sagte er schnell. »Ich dachte, Mom und Dad würden immer noch dort wohnen, aber …« Plötzlich strömten die Worte nur so aus seinem Mund, beinahe zusammenhanglos. »Im Pflegeheim hat man mir gesagt,
was mit Dad passiert ist. Sie hatten noch einige von seinen Sachen. Sie wollten dir alles schicken, aber ich dachte, wenn ich sie einfach mitbringe, wäre es vielleicht ein guter Weg … wieder … Kontakt aufzunehmen und …«
    Die Frau war schon dabei, den Rückzug anzutreten. Sie hielt den Spaten schützend vor sich. Und trat ein paar Schritte zurück. »Wer sind Sie?«
    »Lissa, ich bin dein Bruder. Ich bin Justin.«
    Ihre Stimme klang wütend. Und ein wenig ängstlich. »Wer auch immer Sie sind, welches Spiel Sie auch treiben, ich will, dass Sie von meinem Grundstück verschwinden. Und zwar sofort.«
    Sie wandte sich um und flüchtete ins Haus. Das Zuschlagen der Haustür hallte nach wie ein Pistolenschuss.

    Die Zurückweisung seiner Schwester war derart scharf und kompromisslos gewesen, dass sie Justin bis ins Mark erschüttert hatte. Sie hatte ihn in seine alte Gewohnheit zurückgestoßen, sämtliche Gedanken an seine Vergangenheit hinter eine Mauer zu verbannen.
    Nach seiner Rückkehr aus San Marino hatte er versucht, sich ganz auf seinen neuen Job zu konzentrieren. Und auf Amy und Zack.
    Doch es war ihm nicht gelungen, die quälenden Fragen über seine Familie zu ignorieren, die seine Rückkehr in die Lima Street aufgeworfen hatte. An diesem Morgen schließlich war ihm das fortdauernde Fehlen jeglicher Antworten auf diese Fragen zu viel geworden. Er hatte im Pflegeheim angerufen, um den Namen des Friedhofs zu erfragen, auf dem sein Vater begraben lag.
    Nun schritt Justin durch ein Labyrinth verstreut liegender
Grabsteine. Die meisten von ihnen waren beschädigt und standen schief; kein einziger ragte mehr als 60 Zentimeter über das ungleichmäßig wachsende Gras des Friedhofs.
    Es war September. Dank der Santa-Ana-Winde breiteten sich in den Hügeln Waldbrände aus. Die Temperatur erinnerte an ein Treibhaus, und der Geruch von Asche hing in der Luft.
    Als Justin sich dem Grab seines Vaters näherte, fühlte er sich benommen und hohl.
    Es hatte nichts mit der Hitze oder den Bränden zu tun. Dafür umso mehr mit dem, was ihn an der Grabstelle erwartete.
    Er trat nicht auf einen einzelnen Grabstein zu, sondern gleich auf drei.
    Der neueste war der seines Vaters: »Robert William Fisher … 14. Dezember 1940 - 16. April 2005.«
    Die Inschrift auf dem nächsten Stein lautete: »Caroline Conwyn Fisher … 1. Mai 1940 - 31. Oktober 2004.« Es war der Grabstein seiner Mutter. Ein tiefer Schmerz durchzuckte Justin, der beinahe unerträglich war. Ein Stück seines Herzens war ihm herausgerissen worden.
    Als er sich dem dritten Stein zuwandte, standen Tränen in seinen Augen. Dieser Stein war kleiner und weitaus stärker verwittert als die beiden anderen. Er brauchte eine Weile, ehe er die Inschrift deutlich entziffern konnte:
    »THOMAS JUSTIN FISHER
21. September 1972 - 20. Februar 1976
In den Herzen derer zu leben, die wir lieben,
heißt niemals zu sterben.«
    Justin war gekommen, um das Grab seines Vaters zu suchen. Und hatte außerdem das Grab seiner Mutter gefunden. Und sein eigenes.

    Die Entdeckung eines Grabsteins mit seinem eigenen Namen war derart makaber gewesen, derart unbegreiflich, dass Justin nicht gewusst hatte, was er tun oder fühlen sollte. Natürlich war er nach Hause gefahren und hatte Amy alles erzählt. Danach aber hatte er erklärt, er wolle nicht weiter darüber sprechen.
    Inzwischen war es November, nur wenige Wochen vor Thanksgiving, und Justin war zu Hause. Entschlossen, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er saß am Rand eines Clubsessels und badete im Sonnenlicht.
    Auf dem Verandaboden zu Justins Füßen beschäftigte sich Zack mit den vom Wind herangewehten Blütenblättern einer weißen Rose, die von ihrem Strauch abgefallen war. Vorsichtig sammelte er Blatt für Blatt auf und legte jedes einzelne feierlich in Justins ausgestreckte Hand.
    Zacks nachdenklicher Blick, ohne jedes Blinzeln, machte Justin nervös. Er fragte sich, was genau es war, das sein Sohn von ihm wollte. Erwartete Zack, dass er diese verstreuten Reste auf magische Art und Weise in eine taufrische weiße Rose

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