Nur ein einziger Kuss, Mylord?
Verlangen ihn zu versengen drohte?
Vor dem riesigen Himmelbett blieb Christy stehen. Seine Aufforderung, in sein Schlafgemach zu kommen, hatte sie in Bewegung gesetzt wie eine aufziehbare mechanische Puppe, aber nun schienen ihre Glieder vollends gelähmt.
Ihre bisherige Lebenserfahrung konnte ihr nicht den geringsten Hinweis geben, was sie als Nächstes tun sollte. Sie atmete tief durch. Und noch einmal. Ihr Inneres hörte nicht auf zu beben. Sie wusste, was auf diesem Lager geschehen würde, aber wie sollte sie sich verhalten? Von alleine hineinsteigen? Darauf warten, dass er sie einlud? Sie fühlte sich unendlich dumm, weil er sie hatte aufrufen müssen, ihrer Pflicht nachzukommen, aber woher sollte sie wissen, wo er sie … sie wusste nicht einmal, wie sie es bezeichnen sollte. Wo er sie lieben wollte erschien ihr lächerlich abwegig. Die Ehe vollziehen?
Sie drehte sich um und schluckte. Er trug nur einen Hausmantel. Zwischen den scharlachroten Seidenaufschlägen konnte sie seine nackte Brust erkennen. Ihr Blick wanderte zu seinen Füßen. Auch sie waren nackt. Wahrscheinlich wollte er den Hausmantel gleich ablegen. Ob er ihr das Nachthemd ausziehen würde? Oder erwartete er, dass sie es selbst tat?
Mit einem Mal erschien er ihr größer, machtvoller, seine Gesichtszüge wie aus kaltem Metall. Was sicherlich nur am Kerzenlicht lag, wie sie sich rasch versicherte. Er mochte diese Ehe nicht gewollt haben, doch er war kein Mann, der seine körperliche Überlegenheit gegen eine Frau ausspielte.
Sie nahm an, dass er behutsam vorgehen würde, wenn er sich … wenn er sich sein Vergnügen verschaffte. Dass er versuchen würde, ihr nicht unnötig wehzutun. Sie hatte nichts zu befürchten. Höchstens dieses merkwürdige Sehnen, dieses Gefühl zu schmelzen, das sich in ihrem eigenen Innern ausbreitete. Die Erinnerung an seine Hände, die sich um ihre Brüste geschlossen hatten, sandte Hitzeschauer durch ihren gesamten Körper. Würde er erwarten, dass sie ihn berührte?
Oder würde es ihn abstoßen?
Sie fühlte sich elend. Verloren.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Ihr fiel ein, dass sie noch ihre Brille trug. Langsam, mit leicht zitternden Händen, nahm sie sie ab und legte sie auf den Nachttisch. Der Raum verschwamm vor ihren Augen, ihr Ehemann – oh Gott, ihr Ehemann ! – war nurmehr ein undeutlicher Schatten bei der Tür.
Julian zog langsam den Atem ein, als sie die Brille ablegte. Noch nie zuvor, bei keiner der vielen verlockenden, freizügigen Frauen, deren Liebhaber er gewesen war, hatte er eine so verführerische Macht erlebt, wie Christy sie besaß. Christy, eingehüllt in ein hochgeschlossenes, züchtiges weißes Nachthemd, die sattbraune Haarpracht zu einem schlichten Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Christy, die unsicher in seine Richtung blinzelte. Der Mund wurde ihm trocken, als er auf sie zuging.
Sie war seine Braut. Ihm gehörig vor Gott und der Welt. Unbestritten, nach Recht und Gesetz. Seine Lenden pochten vor Verlangen. Bald würde er seinen Hunger nach ihr stillen können. Er trat vor sie hin und erwartete halb, dass sie zurückweichen würde. Sie tat es nicht, kreuzte nur schützend die Arme vor der Brust.
Er zögerte. Vor den dunklen Vorhängen seines Bettes wirkte sie unnatürlich bleich. Verletzlich. Wie eine Opfergabe, schoss es ihm durch den Sinn.
„Es ist unsere Hochzeitsnacht, Christy.“ Als die Worte heraus waren, fragte er sich, warum er sie überhaupt geäußert hatte.
„Ja“, erwiderte sie nach einem Moment des Schweigens. Ihre Stimme klang ruhig, ausdruckslos. Als bestätige sie lediglich eine Tatsache. Aber etwas an ihrer gespannten Haltung sagte ihm, dass es mehr war. Mit dem einen Wort bekundete sie ihre Zustimmung, sich dem zu unterwerfen, was in der Dunkelheit der Bettstatt hinter ihr geschehen würde. Der Blick, mit dem sie seinem begegnete, war unerschrocken, doch sie schluckte krampfhaft und benetzte sich mit der Zunge die Lippen.
Er kämpfte gegen den plötzlichen Wunsch an, rücksichtslos von ihrem Mund Besitz zu ergreifen. Seine Selbstdisziplin hing an einem seidenen Faden – wenn er sie jetzt berührte, geschweige denn schmeckte, würden sie im nächsten Moment im Bett landen. Wenn er sie nicht auf der Stelle nahm.
Er drängte sein Begehren zurück. Sie war seine Braut – er konnte sich die ganze Nacht Zeit lassen.
Langsam hob er die Hand und berührte das Bändchen, das ihr Nachthemd am Halsausschnitt zusammenhielt. Sein Verlangen
Weitere Kostenlose Bücher