Nur ein einziger Kuss, Mylord?
nicht respektlos erscheinen.“
Julian nickte. „In Ordnung. Selbstverständlich werde ich Ihnen einen angemessenen Betrag für Nans Unterbringung und Verpflegung sowie eine Aufwandsentschädigung für Sie beide bezahlen. Und außerdem eine entsprechende Summe für ihre Mitgift aussetzen.“
Carter machte ein finsteres Gesicht. „Ich will nicht behaupten, dass eine Unterstützung für das Kind mir ungelegen käme, Mylord“, erwiderte er. „Aber das mit der Mitgift ist nicht nötig. Es wäre nicht gerecht gegenüber meinen Töchtern. Und es erscheint mir auch nicht passend für ein Kind wie sie.“
„Passend?“, fragte Christy schneidend. Ihre Stimme hatte jegliche Freundlichkeit verloren, als sie das Wort in die Stille einwarf.
„Sie ist ein Kind der Sünde“, meldete Mrs. Carter sich erbittert zu Wort. „Doch wir fordern keinen Lohn für die Erfüllung unserer christlichen Pflicht.“
Julian zuckte zusammen. Seine Aufgabe war ihm nie schwieriger erschienen als in diesem Moment. Nan wich ängstlich hinter Christy zurück, beinahe so, als habe jemand die Faust gegen sie erhoben.
„Nichts anderes habe ich erwartet“, erwiderte Christy und legte Nan die Hand auf die Schulter. „Aber wie es schon beim Apostel Paulus heißt – ‚und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.‘“
Mrs. Carter setzte sich kerzengerade. „Wir werden das Kind bei uns aufnehmen und das Rechte tun“, erklärte sie säuerlich. „Es streng und gottesfürchtig erziehen. Und alles tun, damit die Sünden meiner Schwester nicht auf es übergehen. Angefangen bei Eitelkeiten wie diesem anstößig roten Band in seinem Haar.“
„Dieses Haarband“, entgegnete Christy ruhig, „war das letzte Geschenk ihrer Mutter!“
Carter wandte sich zu Viscount Braybrook um. „Am besten nehmen wir das Kind gleich mit, Mylord.“
„Nein.“ Christys Stimme klang scharf. Gebieterisch.
Julian atmete tief durch. So konnte dieses Gespräch nicht weitergehen. Jedenfalls nicht in Nans Anwesenheit.
„Das wird nicht möglich sein“, fuhr Christy fort. „Kurz bevor wir herunterkamen, erhielt ich eine Botschaft von Mrs. Havergal, Mylord. Sie bittet mich, sie zu besuchen und Nan mitzubringen. Ich habe ihr meine Zusage bereits geschickt.“
Dafür, dass sie sie so rasch hat erfinden müssen, ist die Ausrede grandios, dachte Julian.
Carter runzelte die Stirn. „Besser, wir nähmen sie gleich mit, mit Verlaub, Mylord. Ehe sie überspannte Vorstellungen von ihrem Rang in der Gesellschaft bekommt.“
„Jawohl“, fiel seine Frau ein. „Wie wir’s uns vorgenommen haben. Von Anfang an keine Zugeständnisse machen.“
Die Carters hatten nicht unrecht. Das wusste Julian. Ihr Standpunkt war vernünftig und sinnvoll. Trotzdem …
„Ich fürchte, meine Stiefmutter würde den Kopf meiner Gemahlin fordern, wenn sie ihrem Wunsch nicht entspricht“, erklärte er höflich lächelnd. „Außerdem sind Nans Habseligkeiten noch nicht gepackt.“ Er hatte Mühe zu glauben, dass er diese Worte wirklich äußerte, und genauso schien es den Carters zu gehen. „Ich lasse Ihnen eine Nachricht zukommen, wenn alles so weit ist“, fuhr er fort. „Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.“ Er klingelte nach dem Butler, damit er die Carters hinausführte. Auch er selbst verließ kurz die Bibliothek, um Hallam einen weiteren Auftrag zu erteilen.
19. KAPITEL
Als Julian die Bibliothek wieder betrat, war Christy allein. Sie saß in einem Sessel beim Fenster.
„Wo ist Nan?“, fragte er.
„Sie meinen das Kind , Mylord?“
Noch nie hatte er eine solche Bitterkeit in ihrer Stimme gehört.
„Ich habe nach Beth geschickt, damit sie sie zum Witwensitz bringt und Serena ausrichtet, dass ich nachkomme.“
Also war es keine Ausrede gewesen.
„Wie kannst du nur?“, brach es aus ihr heraus.
„Christy …“
„Wie kannst du irgendein Kind, geschweige denn deine Schwester , Leuten wie ihnen überlassen?“
„Die Carters sind ehrbare, fleißige …“
„Sie haben Nan weder begrüßt noch ein einziges Wort an sie gerichtet. Sie haben nicht einmal ihren Namen benutzt!“, fuhr sie ihn an. „Und Carter brachte es sogar fertig, in ihrer Anwesenheit zu erklären, dass ihre Mutter es verdient hatte zu sterben! Was stellst du dir vor, wie sie Nan behandeln werden? Wenn schon ein harmloses Haarband ein Vergehen für sie darstellt?“
Zorn schoss in Julian hoch. „Sie werden mir Rede und Antwort stehen
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